Urteil vom: 26. Februar 1965
Amtliche Sammlung: BGE 91 IV 10

Der Führer, der seine Fahrrichtung ändern will, wie zum Abbiegen, Überholen, Einspuren und Wechseln des Fahrstreifens, hat auf den Gegenverkehr und auf die ihm nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen (Art. 34 Abs. 3 SVG). Der Bestimmung liegt die Überlegung zugrunde, dass Richtungsänderungen für andere, die geradeaus fahren, gefährlich sind und selbst bei ordnungsgemässer Ankündigung von nachfolgenden Fahrzeugführern oft nicht oder zu spät beachtet oder missverstanden werden und dass daher dem Fahrzeugführer, der eine solche Gefahr schafft, auch zuzumuten ist, bei seinem Fahrmanöver im Interesse der Verkehrssicherheit besonders vorsichtig zu sein.

Beim Abbiegen nach links darf deshalb der Führer, der pflichtgemäss eingespurt und den Richtungsanzeiger gestellt hat (Art. 36 Abs. 1, 39 Abs. 1 SVG), sich nicht ohne weiteres auf das für nachfolgende Fahrzeuge geltende Verbot des Linksüberholens (Art. 35 Abs. 5 SVG) verlassen, sondern er hat zur Verminderung der Gefährlichkeit seines Vorhabens selber dadurch beizutragen, dass er sich vor dem Abbiegen vergewissert, ob durch das beabsichtigte Manöver kein nachfolgendes Fahrzeug gefährdet werde.

Die Sorgfalt, die der Linksabbiegende anzuwenden hat, um die Gefährdung nachfolgender Fahrzeuge auszuschalten, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, namentlich nach dem Ort, wo er abbiegen will, den Platz- und Sichtverhältnissen. Bei Strassenverzweigungen (Kreuzungen, Gabelungen und Einmündungen), wo jederzeit damit gerechnet werden muss, dass ein vorausfahrendes Fahrzeug nach links abbiegt, genügt im allgemeinen, dass der Abbiegende, ehe er seine Absicht verwirklicht, im Rückspiegel rückwärts schaut. Bei Nacht oder sonstwie erschwerter Sicht und an Stellen, wo zum Rechtsüberholen des gegen die Strassenmitte eingespurten Fahrzeuges nicht genügend Raum verbleibt, sowie vor allem ausserhalb von Strassenverzweigungen, d.h. immer dann, wenn Missverständnisse möglich sind und die Gefahr, links überholt zu werden, grösser ist, hat sich der Linksabbiegende aber auch zu vergewissern, ob ihm nicht ein anderes Fahrzeug im sichttoten Winkel seines Wagens folge. Er hat daher, wenn er sich nicht schon durch den Rück- und Aussenspiegel einen sicheren Überblick über die hinter und links von seinem Fahrzeug befindliche Fahrbahnzone verschaffen kann, in solchen Fällen weitere Vorkehren zu treffen, z.B. durch das geöffnete Seitenfenster rückwärts zu beobachten, allenfalls einen Sicherheitshalt einzuschalten, wie dies im Falle Dinkel (BGE 83 IV 166) verlangt und näher ausgeführt wurde.
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