Urteil vom: 27. September 2000
Prozessnummer: 6S.550/2000

Der hochgebirgsunerfahrene Amerikaner W buchte anlässlich seines Ferienaufenthaltes in Z im dortigen Bergführerbüro für den folgenden Tag eine Kollektivtour auf einen über 4000 m hohen Berg. Am anderen Morgen fand er sich am vereinbarten Sammelort (Talstation einer Luftseilbahn) ein und meldete sich bei dem für die Organisation der Tour zuständigen Koordinator zur Zuteilung an einen Bergführer. Der Koordinator teilte die insgesamt acht Teilnehmer in zwei Vierergruppen auf und wies jede Gruppe einem Bergführer zu. W wurde dem Bergführer A zugeteilt. Als der Koordinator feststellte, dass W kein Billett für die Fahrt mit der Luftseilbahn auf sich trug, beschloss er, für diesen noch das Billett zu lösen. Zuvor wies er den Bergführer A an, mit zwei Teilnehmern schon loszuziehen, damit er einen dritten vorausgegangenen Teilnehmer nicht verliere. Nachdem der Koordinator das Billett für W gelöst hatte, erklärte er ihm, er solle der Gruppe folgen. W traf mit der Gruppe jedoch nicht mehr zusammen. Der Bergführer A führte die Tour mit den restlichen drei Teilnehmern durch, ohne sich um W zu kümmern oder auf ihn zu warten. W begab sich in der Folge allein auf den Weg. Am darauf folgenden Tag wurde W tot geborgen (Unterkühlung).

Das erstinstanzliche Gericht verurteilte den Koordinator und den Bergführer A wegen fahrlässiger Tötung zu bedingten Gefängnisstrafen von drei und zwei Monaten, jeweils mit zwei Jahren Probezeit. Diese Schuldsprüche zogen die beiden bis vor Bundesgericht weiter.

Das Bundesgericht wies diese Beschwerde ab. Sowohl der Koordinator als auch der Bergführer hätten ihre Garantenpflicht verletzt und damit den Tatbestand der fahrlässigen Tötung erfüllt. Die Garantenpflicht verlange von einem Koordinator, der die Teilnehmer einer Bergtour an der Talstation in Empfang nehme, dass er sich bei einem Zurückgebliebenen darum kümmere, ob dieser den Anschluss an die Gruppe finden würde oder wirklich gefunden habe. Der Zurückgebliebene dürfe nicht einfach aufs Geratewohl dem Bergführer ins hochalpine Gelände nachgeschickt werden. Vom Bergführer, der mit drei weiteren Teilnehmern losziehe, verlange die Garantenpflicht, dass er sich um den Zurückgebliebenen kümmere, von dem er wusste, dass dieser ebenfalls nachkommen sollte und wollte. Würden Koordinator und Bergführer nicht in diesem Sinne handeln, sei dies pflichtwidrig (Koordinationsfehler). Ein Garant könne sich nicht im Vertrauen auf das Handeln anderer Garanten oder Dritter seiner Garantenpflicht und damit seiner Verantwortung entschlagen.

(Prozess-Nr. des Bundesgerichts 6S.550/2000; Pra (Die Praxis des Bundesgerichts) 3/2001 Nr. 54)

Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

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