Handläufe bei Treppen in öffentlich zugänglichen Gebäuden oder Mehrfamilienhäusern sind in der Schweiz gesetzlich nicht durchwegs vorgeschrieben. Aus Sicht der Unfallprävention sind Handläufe bei Treppen aber immer sinnvoll. Sie senken das Sturzrisiko und erleichtern weniger mobilen Menschen das Treppensteigen.

Was verlangt das Gesetz?

Bei Handläufen für Treppen in öffentlich zugänglichen Gebäuden und in Mehrfamilienhäusern sind verschiedene Erlasse zu beachten.

Behindertengleichstellungsgesetz

Am 1.1.2004 ist das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) in Kraft getreten. Es bezweckt, Menschen mit einer Behinderung einen hindernisfreien Zugang zu Gebäuden und Anlagen zu ermöglichen. Das BehiG gilt insbesondere für öffentlich zugängliche Gebäude und Anlagen sowie für Gebäude mit mehr als 50 Arbeitsplätzen, nicht jedoch für alle Wohnbauten.

Im Geltungsbereich des BehiG liegen nur Wohngebäude mit mehr als acht Wohneinheiten. Werden solche Arten von Bauten/Anlagen neu gebaut oder erneuert, so kommt das BehiG nur dann zur Anwendung, wenn diese Bauvorhaben einer Baubewilligung bedürfen. Das BehiG und die Behindertengleichstellungsverordnung regeln dabei auf eidgenössischer Ebene nur die Frage, wo bzw. ob hindernisfrei gebaut werden muss.

Die Kantone und Gemeinden haben diese Vorschriften im Sinne eines Minimalstandards zu beachten. Sie dürfen durchaus noch schärfere Vorschriften erlassen, nicht jedoch weniger weit gehende. Die kantonalen und viele kommunale Bauerlasse enthalten zahlreiche Detailbestimmungen dazu. Vergleichen Sie dazu auch die BFU-Fachdokumentation 2.034 (S. 39 ff). Eine Analyse zeigt, dass die Gesetzgebung über das hindernisfreie Bauen in der Mehrzahl der Kantone auch für Wohnbauten mit weniger als acht Wohneinheiten anwendbar ist.

Die Frage, wie hindernisfreie Treppen in öffentlich zugänglichen Bauten (z. B. Schulen, Restaurants, Verkaufsgeschäften), aber auch in Wohngebäuden mit mehr als acht Wohneinheiten gestaltet werden müssen, wird nicht durch das BehiG geregelt. Hier kommen technische Normen zum Zug, insbesondere die sia-Norm 500.

Diese Norm ist seit dem 1.1.2009 in Kraft und massgebend für Bauten, für welche Bund, Kanton, Gemeinde oder Bauherrschaft hindernisfreies oder behindertengerechtes Bauen vorschreiben. Sie konkretisiert insbesondere unbestimmte Gesetzesbegriffe, welche in den entsprechenden Artikeln des kantonalen/kommunalen Rechts enthalten sind. Die Anforderungen an die Hindernisfreiheit der Treppen werden in dieser Norm je nach Art und Weise der Gebäudenutzung unterschiedlich geregelt.

Arbeitsgesetz

Betriebe, die in der Schweiz Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen, haben für die Gestaltung der Treppen in ihren Gebäuden ausserdem die einschlägige Arbeitsgesetzgebung zu beachten (vgl. insbesondere die Wegleitung zur Verordnung 4 des Arbeitsgesetzes: im 3. Abschnitt sind die Anforderungen an Geländer, Treppen, Handläufe usw. beschrieben).

Weitere Informationen dazu erteilen die Suva und die Eidgenössische Koordinationskommission für Arbeitssicherheit (EKAS).

Brandschutzvorschriften

Zu berücksichtigen sind des Weiteren die Brandschutzvorschriften. Weiterführende Informationen dazu erteilen die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen (VKF) bzw. die kantonalen Feuerpolizeien.

Beispiele aus der Rechtsprechung

Im Folgenden finden Sie drei Urteile zum Thema. Der Rechtsdienst der BFU hat diese Urteile zusammengefasst und aus Präventionssicht analysiert. Sie können den Originaltext dieser Urteile auf der Website des Bundesgerichts (bger.ch) oder des entsprechenden kantonalen Gerichts nachlesen.

  • Fehlen eines Geländers und Handlaufs im unteren Teil einer Kellertreppe in einem Mehrfamilienhaus: Werkmangel im Sinne von Art. 58 Obligationenrecht wurde nach einem Sturzunfall bejaht (Entscheid Obergericht Kanton Zürich vom 1.3.2002 / publiziert in ZR 101/2002, S. 281). Eine Analyse dieses Urteils finden Sie hier.
  • Nutzung eines Treppenhandlaufs in einem Schulhaus als Rutschbahn: strafrechtliche Verantwortung der für den Bau und/oder den Betrieb des Schulhauses Verantwortlichen muss abgeklärt werden (Bundesgerichtsurteil vom 16.8.2004 / Prozess-Nr. 1P.305/2004). Eine Analyse dieses Urteils finden Sie hier.
  • Fehlen eines Geländers und Handlaufs auf einer Treppe vom bewohnten Dachstock in den ersten Stock in einem von mehreren Parteien bewohnten Haus: Unterhaltsmangel im Sinne von Art. 58 Obligationenrecht wurde nach einem Sturzunfall bejaht (Bundesgerichtsurteil vom 14.12.1943 / BGE 69 II 394). Eine Analyse dieses Urteils finden Sie hier.

Fazit

  • Für Treppen in öffentlich zugänglichen Gebäuden und in Mehrfamilienhäusern existieren verschiedene gesetzliche Vorschriften, Richtlinien und technische Normen. Darin sind Treppenhandläufe für solche Arten von Gebäuden nicht generell vorgeschrieben. Jeder Fall muss individuell beurteilt werden.
  • Im Vorfeld einer Projektierung von Neu- und/oder Erneuerungsbauten haben Bauherrschaft, Planerinnen und Planer daher im Detail abzuklären, welche rechtlichen Vorgaben für den Bereich Treppen auf der Ebene Bundes-, kantonales bzw. kommunales Recht existieren und welche Vorkehrungen die Bauherrschaft allenfalls zusätzlich wünscht.
  • Die Rechtsprechung nach entsprechenden Unfällen zeigt auf, wie wichtig fachgerecht montierte Treppenhandläufe gerade in öffentlich zugänglichen Gebäuden und in Mehrfamilienhäusern sind.
  • Handläufe senken grundsätzlich das Sturzrisiko und sind aus Sicht der Unfallprävention sinnvoll.

Weitere Informationen

Mehr zum Thema Treppen lesen Sie im Ratgeber «Treppen – Sicherheit auf Schritt und Tritt».

Zum Warenkorb
0