Nach einem wichtigen Grundsatz des Rechts hat derjenige, der einen gefährlichen Zustand schafft oder unterhält, für die nötigen Schutzmassnahmen zu sorgen. Dieser sog. Gefahrensatz hat nach Unfällen (Personen-Schadenfällen) sowohl im Haftpflichtrecht als auch im Strafrecht eine Bedeutung.
Er ist jedoch auch aus Präventionssicht wichtig. Gerade wenn konkrete staatliche Schutzvorschriften, technische Normen, anerkannte Regeln der Baukunde und vereinbarte Regeln fehlen – wie dies im Haus- und Freizeitbereich öfters der Fall ist -, kann die Berücksichtigung des Gefahrensatzes im Einzelfall zur Verpflichtung werden. Dieser Gefahrensatz bildet quasi den rechtlichen Hintergrund für Risikoabschätzungen, die in solchen Fällen zwecks Unfallprävention vorgenommen werden sollten.
Wenn man diese Verpflichtung zur Gefahrenabwehr kennt und entsprechend berücksichtigt, kann man Unfälle im Haus- und Freizeitbereich verhindern. Gleichzeitig minimiert sich das eigene Risiko, wegen eingetretener Personenschäden mit Schadenersatz- und/oder Genugtuungsforderungen bzw. mit Strafen konfrontiert zu werden.
Gut zu wissen
1. Bedeutung des Gefahrensatzes im Haftpflichtrecht
Aus dem durch die Bundesgerichtliche Rechtsprechung entwickelten Gefahrensatz ergibt sich dann eine rechtliche Handlungspflicht, soweit insbesondere Leib/Leben oder Gesundheit von Personen auf dem Spiel stehen. Jede Person, die einen gefährlichen Zustand schafft, unterhält oder sonst in einer rechtlich verbindlichen Weise zu vertreten hat, muss sämtliche erforderlichen Schutzmassnahmen ergreifen, die geeignet sind, Beeinträchtigungen solcher Rechtsgüter zu vermeiden; ansonsten riskiert sie Forderungen auf Schadenersatz und Genugtuung. Erforderlich ist bloss, dass diese Schutzmassnahmen, die zur Gefahrenabwendung notwendig sind, effizient und zumutbar sind. Dabei kommen nicht nur explizite Schutzvorschriften (aus Gesetzen und Verordnungen), sondern auch ungeschriebene Verhaltensgebote infrage. Vergleichen Sie dazu die nachfolgenden Gerichtsurteile. Beispiele aus der Rechtsprechung:
- Fataler Sprung vom Sprungturm in den See (BGE 123 III 306):
Zum Unterhalt eines Sprungturms im See gehören nicht nur die Vornahme anfallender Reparaturarbeiten, sondern auch die regelmässige Kontrolle der Wassertiefe. Der Betreiberin eines Strandbads, welche dies nicht beachtet hat, wurde vom Bundegericht eine fahrlässige unerlaubte Handlung vorgeworfen, nachdem ein Schwimmer nach einem Sprung vom Turm in den See Tetraplegiker wurde. Vergleichen Sie die Zusammenfassung des entsprechenden Bundesgerichtsurteils hier. - Vorsicht auf Kinder bei Waldarbeiten (Urteil Bundesgericht 4A_520/2007):
Nicht nur schwebende Baumstämme beim unmittelbaren Aufladevorgang können für Kinder gefährlich werden, sondern auch noch nicht aufgeladene, ungesicherte und unstabile Baumstämme am Boden. Ein Transportunternehmer hat dies zu wenig bedacht und muss daher einem querschnittgelähmten elfjährigen Knaben, der von zwei rollenden Baumstämmen eingeklemmt worden war, eine Genugtuung bezahlen. Vergleichen Sie die Zusammenfassung des entsprechenden Bundesgerichtsurteils hier.
2. Bedeutung des Gefahrensatzes im Strafrecht
Auch im Strafrecht wird der Grundsatz anerkannt, dass sich aus dem Gefahrensatz eine Handlungspflicht ergeben kann. Der Gefahrensatz ist sogar im Strafgesetzbuch (Art. 11) explizit verankert.
Beispiele aus der Rechtsprechung:
- Sturz von einem ungesicherten Firmenparkplatz (Urteil Bundesgericht 6S.87/2003):
Wenn ein Firmeninhaber es unterlässt, ein 30cm hohes und 20cm breites Mäuerchen entlang von Parkfeldern seines Unternehmens gegen eine Absturzgefahr durch ein Geländer zu sichern, missachtet er den Gefahrensatz. Er muss daher mit Strafen rechnen, wenn sich deswegen jemand verletzt. Vergleichen Sie die Zusammenfassung des entsprechenden Bundesgerichtsurteils hier. - Kopfsprung vom Badesteg eines Strandbades ins untiefe Wasser mit Folgen (Urteil Bundesgericht 6B_1055/2016):
Ein Badegast zog sich bei einem Kopfsprung vom Badesteg eines Strandbades ins 1,2 m tiefe Wasser eine komplette Tetraplegie zu. Zum Unfallzeitpunkt waren am Steg keine Warn- oder Verbotsschilder betreffend Kopfsprünge in den See angebracht. Die Einstellung des entsprechenden Strafverfahrens gegen den Geschäftsführer des Strandbades verletzt Bundesrecht. Das kantonale Gericht wird nun unter anderem darüber zu befinden haben, ob der Verantwortliche des Strandbades den Gefahrensatz verletzt hat. Vergleichen Sie die Zusammenfassung des entsprechenden Bundesgerichtsurteils hier.
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