Urteil vom: 23. November 2006
Prozessnummer: U 258/04
M, von Beruf Arzt, verletzte sich beim Wandern im steinigen Gebiet am linken Fuss. Gemäss Unfallmeldung verspürte er trotz professionellen Schuhwerks auf der mehrstündigen Wanderung mit Gepäck beim Bergabgehen einen stechenden Schmerz in der linken Ferse. Da er zuerst eine Zerrung vermutete, stellte er den Fuss ruhig. Zudem liess er abklären, ob er allenfalls an einem Tumor leide. Wie sich herausstellte, hatte sich M wahrscheinlich einen Ermüdungsbruch zugezogen. Seine Unfallversicherung verneinte in der Folge ihre Leistungspflicht. M erhob dagegen Einsprache und machte geltend, er habe auf der Wanderung zwei Traumata erlitten: Zuerst sei er mit der linken Ferse aus einer senkrechten Granitspalte nach unten abgerutscht und mit dem linken Absatz auf einem Felsvorsprung aufgeschlagen. Später habe er beim Abstieg einen Höhenunterschied von 1,5 Metern überwinden und den Schwerpunkt reflexartig und unvorhergesehen auf den linken Fuss verlagern müssen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Die Unfallversicherung hielt an ihrem Entscheid fest und verweigerte jegliche Leistungen. Die dagegen von M erhobene Beschwerde wurde vom kantonalen Verwaltungsgericht abgewiesen. Aufgrund der Unfallmeldung erwog es, dass, wenn M den Fuss tatsächlich aufgeschlagen hätte, er als Arzt wohl kaum einen Tumor in Betracht gezogen hätte. Zudem stimme die Schilderung der Unfallmeldung mit der späteren Diagnose (Ermüdungsbruch) überein. Ausgehend von den ersten Angaben der Unfallmeldung müsse mangels Ungewöhnlichkeit und Plötzlichkeit des äusseren Faktors sowohl ein Unfall als auch eine unfallähnliche Schädigung verneint werden. M akzeptierte dies nicht, weshalb sich schliesslich das Eidgenössische Versicherungsgericht (EVG) mit dem Fall zu befassen hatte. Es schützte den kantonalen Entscheid und damit die Auffassung der Unfallversicherung aus folgenden Gründen:
Nach der Rechtsprechung hat ein Versicherter die Umstände des als Unfall gemeldeten Ereignisses glaubhaft zu machen. Unvollständige, ungenaue oder widersprüchliche Angaben zum Geschehen können die Verneinung der Leistungspflicht des Unfallversicherers nach sich ziehen. Bei sich widersprechenden Angaben des Versicherten gilt, dass sog. spontane „Aussagen der ersten Stunde“ meist unbefangener und zuverlässiger sind als spätere Darstellungen. Daher werden, wenn ein Versicherter seine Darstellung ändert, die Angaben, die er kurz nach dem Unfall gemacht hat, in der Regel mehr gewichtet als solche, die er nach dem ablehnenden Entscheid der Unfallversicherung vorgebracht hat. Entgegen der Ansicht von M war die Würdigung des Sachverhalts durch die Vorinstanz somit nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte das kantonale Gericht dem Umstand, dass M trotz klarer Fragestellung in der Unfallmeldung kein spezielles Ereignis genannt hatte, das den Schmerz unmittelbar ausgelöst hatte, entscheidendes Gewicht beimessen.
Daran ändere nichts, dass M beim Radiologen „Dauerschmerz Fuss links nach Wanderung mit Aufschlag links“ angegeben habe, hielt das EVG fest. Im Übrigen stelle das harte Aufschlagen mit der linken Ferse auf dem Boden für sich allein genommen keinen aussergewöhnlichen Vorfall dar. Denn darin könne keine für den Unfallbegriff entscheidende Programmwidrigkeit, die über das Übliche beim Bergabgehen im felsigen Gelände ohne gesicherten Weg mit bis zu 1,5 Meter hohen Absätzen gehe, erblickt werden. Allein daraus, dass bei oder nach einer Körperbewegung Schmerzen auftreten, könne nicht auf eine ungewöhnliche Ursache im Sinne eines programmwidrig gestörten Ablaufs geschlossen werden. Das kantonale Gericht habe deshalb zu Recht einen Unfall verneint. Aufgrund der medizinischen Unterlagen habe die Vorinstanz zudem davon ausgehen dürfen, dass M einen Ermüdungsbruch, und nicht eine Knochenprellung nach Trauma, erlitten habe. Es sei unbestritten, dass bei einem Ermüdungsbruch das Merkmal der Plötzlichkeit fehle. Somit liege auch keine unfallähnliche Körperschädigung vor.
(Prozess-Nr. des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 258/04)
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