Urteil vom: 2. Oktober 2017
Prozessnummer: 1C_341/2017
Sachverhalt
A. überschritt am 17. August 2014 in Piotta als Führer eines Motorfahrzeugs bei einem Überholmanöver die zugelassene Geschwindigkeit von 80 km/h nach Abzug der Sicherheitsmarge um 44 km/h.
Prozessgeschichte
Hierfür wurde er rechtskräftig wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Abs. 2 SVG verurteilt (Urteil 6B_231/2016 vom 21. Juni 2016).
Das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern wertete diese Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften als schwer im Sinne von Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG und entzog A. mit Verfügung vom 21. September 2016 den Führer- und Schiffsführerausweis auf unbestimmte Zeit, mindestens für zwei Jahre (Art. 16c Abs. 2 lit. d SVG). A wehrte sich dagegen bis vor Bundesgericht - erfolglos.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ausserortsbereich um 30 km/h oder mehr stellt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich eine schwere Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften dar, und zwar auch bei ansonsten günstigen objektiven und subjektiven Umständen des konkreten Einzelfalles (BGE 132 II 234 E. 3.1 S. 237 f.; Urteile 1C_581/2016 vom 9. März 2017 E. 3; 1C_280/2015 vom 2. Dezember 2015 E. 3.2; 1C_384/2011 vom 7. Februar 2012 E. 2.4.2).
Zwar kann ihm grundsätzlich nicht zum Vorwurf gereichen, dass er in einer Situation plötzlichen Unwohlseins von verschiedenen möglichen Massnahmen nicht diejenige ergreift, die sich im Nachhinein aus objektiver Sicht als die angemessenste Reaktion erweist (vgl. BGE 115 IV 248 E. 5 S. 254 f.). Indes ist nicht jedes unzweckmässige Handeln entschuldbar. Das Bundesgericht verlangt, dass die ergriffene Massnahme und diejenige, welche ex post als die zweckmässigere erscheint, annähernd gleichwertig sein müssen und dass der Fahrzeugführer deren unterschiedliche Wirksamkeit nur deshalb nicht erkannte, weil die plötzlich eingetretene Situation eine augenblickliche Entscheidung erforderte. Wo eine Vorkehr im Vergleich zu andern sich aber derart aufdrängt, dass sie auch im Falle der Notwendigkeit sehr rascher Reaktion als die näherliegende und angemessenere erkannt werden kann, ist es als Fehler anzurechnen, wenn trotzdem eine weniger geeignete getroffen wird (BGE 83 IV 84 f.; Urteile 1C_656/2015 vom 8. April 2016 E. 2.3; 1C_361/2014 vom 26. Januar 2015 E. 3.1; je mit Hinweisen).
Aus dieser Rechtsprechung erhellt für den hier zu beurteilenden Fall, dass entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers im Falle plötzlichen Unwohlseins eine erhebliche Beschleunigung des Personenwagens und das Überholen mehrerer Fahrzeuge bei einer Geschwindigkeit von 124 km/h auf einer Kantonsstrasse, um sich so schnell wie möglich bei einem abseits gelegenen Transformatorenhäuschen erleichtern zu können, nicht als zweckmässige und in der Situation gebotene Reaktion erscheint. Nicht nur schuf der Beschwerdeführer durch die übersetzte Geschwindigkeit und das Überholmanöver eine grosse Gefahr für die Verkehrssicherheit. Aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustands mit schweren Magenkrämpfen, starker Übelkeit, Brechreiz und Durchfall ist ausserdem davon auszugehen, dass seine Fähigkeit, der Strasse und dem Verkehr die gebotene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen sowie den Vorsichtspflichten als Motorfahrzeugführer gebührend nachzukommen, massgeblich eingeschränkt war. Insoweit stellte er für die anderen Verkehrsteilnehmer ein erhebliches Risiko dar. Der Vorinstanz ist daher darin beizupflichten, dass vom Beschwerdeführer hätte erwartet werden dürfen, dass er die Fahrgeschwindigkeit reduziert und den Personenwagen zum Stillstand bringt, um sich anschliessend von seinem Unwohlsein zu erholen. Überdies ist das dem Beschwerdeführer angelastete Verschulden aufgrund seines Verhaltens als schwer einzustufen. Nach dem Gesagten hält die Würdigung der Vorinstanz, das Fehlverhalten des Beschwerdeführers sei als schwere Widerhandlung gemäss Art. 16c Abs. 1 lit. a SVG zu qualifizieren, vor Bundesrecht und insbesondere dem Willkürverbot bzw. dem Rechtsgleichheitsgebot stand.
Das Kantonsgericht bestätigte mithin den vom Strassenverkehrsamt verfügten Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit, mindestens aber für zwei Jahre, zu Recht (Art. 16c Abs. 2 lit. d SVG), zumal dem Beschwerdeführer in den vorangegangenen zehn Jahren der Führerausweis unbestrittenermassen dreimal wegen mindestens einer mittelschweren Widerhandlung entzogen worden war. Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden
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