Urteil vom: 10. November 2006
Prozessnummer: U 394/05
Ende Mai 2002 war X beschäftigt mit den Vorbereitungen zur offiziellen Eröffnung des Geschäfts, dessen Geschäftsführer er war. Nach zwei Tagen, in denen er je bloss drei Stunden geschlafen hatte, machte er sich gegen 5.00 Uhr morgens mit seinem Auto und einem Mitfahrer auf den Heimweg. X hatte zuvor noch Alkohol konsumiert und 2,51 Promille im Blut. Als er auf der Autobahn eine Panne hatte, hielt er nicht etwa auf dem Pannenstreifen an, sondern stellte sein Auto mitten auf der Überholspur ab. Ohne den Pannenblinker zu betätigen (das tat später sein Mitfahrer), stieg der dunkel gekleidete X aus und begab sich an den linken Fahrbahnrand, um anderen Verkehrsteilnehmern ein Zeichen zu geben. Das Pannendreieck stellte er aber nicht auf. Wenig später wurde er von einem Fahrzeug, das dem auf der Überholspur stehenden Auto auszuweichen versuchte, angefahren und schwer verletzt. Dessen Lenker fuhr weiter, ohne sich um X zu kümmern. In der Folge wurde X strafrechtlich wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt, von einer Strafe sah das Gericht jedoch ab. Die Unfallversicherung von X kürzte ihm aufgrund seiner Angetrunkenheit und seines gefährlichen Verhaltens die Taggelder von Juni bis August 2002 um 30 % und ab September 2002 um 50 %. X empfand die Kürzung von 50 % als unverhältnismässig und beschwerte sich dagegen beim kantonalen Versicherungsgericht. Dieses hiess die Beschwerde teilweise gut und hielt eine Reduktion um 20 % für angemessen. Es begründete dies mit dem Verhalten des Lenkers, der X angefahren hatte, und weil Alkohol nicht die einzige Ursache des Unfalls gewesen sei. Dieser Entscheid wurde vom Eidgenössischen Versicherungsgericht (EVG) auf Beschwerde der Unfallversicherung hin aufgehoben:
Fahren mit 2,51 Promille sei ein Verbrechen, auch wenn X wegen der Unfallfolgen im Strafprozess keine Strafe auferlegt worden sei, hielt das EVG fest. Zudem habe X mit seinem unbedachten Verhalten auf der Autobahn noch weitere Verkehrsregeln schwer verletzt. Es bestehe daher kein Grund, von der gängigen Versicherungspraxis und Rechtsprechung abzuweichen, nach der die Leistungskürzung abhängig von der Blutalkoholkonzentration sei. Die Tatsache, dass der andere Lenker an den linken, für den Verkehr verbotenen Strassenrand ausgewichen sei, um dem Wagen von X auszuweichen, reiche nicht, um den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten von X und der Kollision zu unterbrechen. Dieser Lenker habe sich auf das mitten auf der Überholspur stehende Fahrzeug konzentriert und erst recht nicht damit rechnen müssen, dass eine Person, noch dazu in dunklen Kleidern, am linken Fahrbahnrand stehe. Dass der Lenker Führerflucht begangen habe, ändere daran nichts. Damit hiess das EVG die Beschwerde der Unfallversicherung gut und wies den Fall zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.
(Prozess-Nr. des Bundesgerichts U 394/05)
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