Urteil vom: 25. November 2008
Prozessnummer: 6B_659/2008
An einem Abend im Januar 2006 machten ein paar Touristen eine Schlittelfahrt. Dabei verliessen sie den offiziellen gerade verlaufenden Schlittelweg und bogen nach links auf die Abfahrtspiste ab, die direkt zum Ziel (eine Seilbahnstation) führte. Kurz nach dem Einbiegen auf die Skipiste stürzte die Touristin X schwer und blieb in der Folge querschnittgelähmt. Die im Anschluss an diesen Unfall durchgeführten polizeilichen Ermittlungen wurden im Dezember 2007 abgeschlossen. Die zuständigen Behörden waren zum Schluss gekommen, es sei kein Strafverfahren gegen den verantwortlichen Pistenrettungschef A und den Wegmeister B zu eröffnen. Dies wurde vom Kantonsgericht bestätigt. X akzeptierte das ihrer Meinung nach willkürliche Urteil nicht und zog den Fall weiter vor Bundesgericht, welches ihre Beschwerde abwies:
Zur Beantwortung der umstrittenen Frage, ob den Betreibern des Schlittelwegs eine strafrechtlich relevante Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden könne, zog das Bundesgericht die Richtlinien der SKUS (Schweizerische Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten) für Anlage, Betrieb und Unterhalt von Schneesportabfahrten heran. Diese sind zwar nicht objektives Recht, helfen aber bei der Konkretisierung der Verkehrssicherungspflicht. Gemäss SKUS-Richtlinien werden Schlittelwege hergerichtet, unterhalten und kontrolliert (Ziffer 50). Zudem sind sie vor atypischen Gefahren, d.h. solchen, die von den Benützern bei sorgfältigem Gebrauch nicht erkannt werden können, zu schützen (Ziffer 51). Folglich können nur Schutzmassnahmen verlangt werden, die nach der Verkehrsübung erforderlich und zumutbar sind. Nicht atypische Gefahren, die zum Schneesport gehören, soll hingegen derjenige tragen, der Schneesport ausüben will. Die Sicherungspflichten der Betreiber werden somit durch die Selbstverantwortung der Pistenbenutzer beschränkt (vgl. BGE 130 III 193).
Entscheidend im vorliegenden Fall war daher, ob die Gruppe den Schlittelweg bewusst und damit auf eigene Gefahr verlassen hatte, oder ob dies versehentlich, d.h. möglicherweise wegen einer mangelhaften oder fehlenden Markierung geschehen war. Das Kantonsgericht war zum Schluss gekommen, die Gruppe habe den Schlittelweg bewusst verlassen und sich eigenverantwortlich in Gefahr gegeben. Gestützt auf das Fotodossier der Polizei hatte es angenommen, der Schlittelweg führe deutlich erkennbar geradeaus, zumal ein mit dem Schlitten nicht leicht auszuführender Linksschwung erforderlich sei, um auf die Skipiste zu gelangen, und keine entsprechende Richtungsänderung ausgeschildert sei. Es habe sich somit nicht um einen unklaren Streckenverlauf gehandelt, der zu einer atypischen Gefahr hätte führen können. Zudem habe die ortsunkundige X ihre Fahrweise nicht den herrschenden Verhältnissen angepasst und sei zu schnell unterwegs gewesen. Da sie bewusst vom offiziellen Schlittelweg abgewichen sei und sich eigenverantwortlich in Gefahr begeben habe, komme eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Betreiber des Schlittelwegs nicht in Betracht.
Diese Schlussfolgerungen des Kantonsgerichts hielten der Überprüfung durch das Bundesgericht stand. Die Vorinstanz hatte somit nicht gegen das Willkürverbot verstossen. Ebenso wenig war zu beanstanden, dass sie auf die Aussagen des Freundes von X abgestellt und darauf verzichtet hatte, die im Zusammenhang mit dem Schlittelunfall an Gedächtnisverlust leidende X zu befragen.
Volltext des Urteils siehe hier.
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