Urteil vom: 11. Februar 2000
Prozessnummer: 4C.458/1999
Das Ehepaar X betreibt einen Reitstall. Im Frühsommer 1999 erteilte Herr X einer Gruppe von Schülerinnen, darunter A, Reitunterricht. Als die Gruppe gegen Ende der Stunde aus dem Stand antrabte, warf das Pferd von A diese aus dem Sattel. A zog sich dabei verschiedene Verletzungen der Wirbelsäule zu, was zu einer teilweisen Invalidität führte. A, gelernte kaufmännische Angestellte und allein erziehende Mutter zweier heranwachsender Kinder, war nach dem Unfall nicht mehr erwerbstätig.
In der Folge forderte sie vom Ehepaar X Schadenersatz. Ihre Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, vom kantonalen Obergericht jedoch gutgeheissen. Es kam gestützt auf ein Gutachten zum Schluss, Herr X habe seine Sorgfaltspflicht als Reitlehrer verletzt und sei deshalb schadenersatzpflichtig. Er habe die Reitpferde sorgfaltswidrig gegen Ende der Stunde aus dem Stand antraben lassen. Dabei entstehe bei den hinteren Tieren erfahrungsgemäss Unruhe. Zudem seien die Pferde gemäss Zeugenaussagen bereits vorher nervös gewesen. Das Ehepaar X beschwerte sich gegen diesen Entscheid vor Bundesgericht.
Das Obergericht hatte die Unruhe der Pferde zu Beginn der Reitstunde als Hinweis dafür gewertet, dass auch am Ende der Reitstunde noch ein erhöhtes Risiko für nervöse Fehlreaktionen der Tiere bestand. Deshalb hätte Herr X am Ende der Stunde auf das Antrabmanöver verzichten sollen. Entgegen der Ansicht des Ehepaars X handle es sich dabei nicht um ein offensichtliches Versehen der Vorinstanz, hielt das Bundesgericht fest. Ebenso wenig habe das Obergericht damit die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des Reitlehrers überspannt: Unfälle im Reitsport könnten zwar nie vollkommen ausgeschlossen werden. Trotzdem hätte ein sorgfältiger Reitlehrer mit Pferden, die sich bereits vor der Reitstunde unruhig verhalten hatten, auf Reitübungen verzichtet, die diese Unruhe erhöhen. Folglich habe X sorgfaltswidrig gehandelt und seine (vertraglichen) Pflichten als Reitlehrer verletzt. Das Ehepaar X als Betreiber des Reitstalls sei daher haftpflichtrechtlich verantwortlich für den entstandenen Schaden. Somit könne offen bleiben, ob sich der Anspruch von A auch auf die Tierhalterhaftung gemäss Art. 56 OR (Obligationenrecht) stützen könne.
Damit bestätigte das Bundesgericht den Entscheid des Obergerichts und wies die Beschwerde des Ehepaars X ab. Dieses wurde im Frühjahr 2006 vom kantonalen Obergericht zu Schadenersatz in Höhe von rund Fr. 500'000.– (statt der von A ursprünglich geforderten Fr. 1'870'000.–) verpflichtet. Da A sich damit nicht zufrieden gab, hatte sich das Bundesgericht erneut mit dem Fall zu befassen. Es wies die Beschwerde von A und damit ihre Anträge auf weitere Fr. 400'000.– Schadenersatz und eine Neufestsetzung der Kosten ab.
(Prozess-Nr. des Bundesgerichts 4C.458/1999 in Verbindung mit 4C.177/2006)
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