Urteil vom: 18. September 2004
Amtliche Sammlung: BGE 130 III 736
Thema des Urteils
Leading Case aus dem Jahr 2004 zur Werkeigentümerhaftung nach Kinderunfällen
Sachverhalt
Die unbeaufsichtigte 3½-jährige A fuhr von einem Gebäudevorplatz eines Mehrfamilienhauses, wo sie gespielt hatte, mit ihrem Dreirad auf die Zufahrtsstrasse zu einem Fabrikgelände, die einem Webereikanal entlangführt. Dabei stürzte das Kind in den Kanal, der von der Zufahrtsstrasse nur durch eine natürlich bewachsene Böschung getrennt wird, und erlitt eine schwere Hirnschädigung.
Prozessgeschichte
Der Anwalt von A war der Auffassung, der Unfall hätte vermieden werden können, wenn die für den allgemeinen Motorfahrzeugverkehr gesperrte Strasse und der Kanal hinreichend gesichert gewesen wären.
Das Schadenersatzbegehren gegen die Werkeigentümerin B AG wurde von den kantonalen Instanzen abgewiesen. Das Bundesgericht bestätigte die kantonalen Urteile.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Der Werkeigentümer darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass Kinder sich gemäss der ihrem Alter entsprechenden, durchschnittlichen Vernunft verhalten. Kinder, die in Bezug auf die Benützung eines bestimmten Werks nicht über die erforderliche Vernunft verfügen, gehören unter Aufsicht.
Der Werkeigentümer hat besondere Sicherheitsvorkehren zur Verhinderung zweckwidrigen Verhaltens durch Kinder zu treffen, wenn das Werk aufgrund seiner Beschaffenheit besondere Risiken in sich birgt, die bei fehlender Vernunft und Vorsicht zu schweren Schädigungen führen, oder wenn das Werk aufgrund seiner besonderen Zweckbestimmung Kinder zu einer bestimmungswidrigen Benützung verleitet.
Voraussetzung der Haftbarkeit des Werkeigentümers ist aber in jedem Fall, dass das zweckwidrige Verhalten voraussehbar ist und zumutbare Massnahmen getroffen werden können, damit eine zweckwidrige Verwendung nicht erfolgt.
Gegen ein ausgefallenes Verhalten muss der Werkeigentümer selbst bei Kindern keine Vorkehren vornehmen.
Folgerungen bfu daraus