Urteil vom: 9. Februar 2005
Prozessnummer: U 336/04

H nahm an einem Thaibox-Wettkampf teil. Die Teilnehmer trugen Boxhandschuhe sowie einen Mund- und Tiefschutz, jedoch keinen Kopfschutz. H gewann den Wettkampf, zog sich allerdings ein Schädelhirntrauma zu. Seine Versicherung verzichtete auf die exakte Ermittlung des schädigenden Schlags und kürzte die zu erbringenden Geldleistungen um 50 %. Sie begründete dies damit, dass schon die Teilnahme an einem solchen Fullcontact-Wettkampf ein absolutes Wagnis darstelle. Diese Auffassung wurde in der Folge vom kantonalen Verwaltungsgericht und schliesslich auch vom Eidgenössischen Versicherungsgericht (EVG) geschützt:

Nach Art. 39 UVG (Unfallversicherungsgesetz) in Verbindung mit Art. 50 UVV (Verordnung über die Unfallversicherung) werden bei Nichtberufsunfällen, die auf ein Wagnis zurückgehen, die Geldleistungen um die Hälfte gekürzt. In besonders schweren Fällen werden sie gar verweigert. Nach der Rechtsprechung wird unterschieden zwischen relativen und absoluten Wagnissen. Als absolutes Wagnis gelten Handlungen, die – unabhängig von der Ausbildung, der Vorbereitung, der Ausrüstung und den Fähigkeiten der versicherten Person – objektiv mit so grossen Gefahren verbunden sind, dass diese auch unter den günstigsten Bedingungen nicht auf ein vernünftiges Mass reduziert werden können. Die aktive Teilnahme an einem Boxwettkampf stellt z. B. ein absolutes Wagnis dar.

H bestritt vor dem EVG nicht, dass die aktive Teilnahme an einem Thaibox-Wettkampf ein absolutes Wagnis ist. Er machte geltend, sein Gegner habe ihm durch den unerlaubten Einsatz des Ellbogens eine strafrechtlich schwere Körperverletzung zugeführt. Die Versicherung hätte daher genau abklären müssen, welcher Schlag zum Gesundheitsschaden geführt habe. Das EVG widersprach ihm: Es stehe fest, dass ein Thaibox-Wettkampf als absolutes Wagnis gelte und dass das Schädelhirntrauma während der laufenden Wettkampfaustragung zugefügt worden sei. Daher könne offen bleiben, ob der Gesundheitsschaden durch einen regelkonformen Faustschlag ins nicht abgedeckte Gesicht oder durch einen regelwidrigen Ellbogenschlag an den ungeschützten Kopf eingetreten sei. Wie beim Boxwettkampf bestehe auch beim Thaiboxen das Hauptziel im Knock-out des Gegners. Dabei habe ein Teilnehmer, im Wissen, dass der Kampfrichter gegen Regelverstösse eintreten muss, das Risiko von regelwidrigen Angriffen seines Gegners in Kauf zu nehmen. Im Übrigen sei es nicht Zweck des Sozialversicherungsprozesses, eine allfällige strafrechtliche Verantwortlichkeit des Wettkampfgegners von H zu beantworten, fuhr das EVG fort. Daher dürfe man aus dem Umstand, dass die Ermittlung des konkret schädigenden Schlags hier nicht von Bedeutung sei, nicht ableiten, Teilnehmer an einem Thaibox-Wettkampf könnten ihren Gegnern unter Missachtung der Spielregeln Körperverletzungen zufügen, ohne zivil- oder strafrechtliche Folgen fürchten zu müssen.

Folgerungen: Die Versicherung von H hatte ihre Geldleistungen zu Recht gekürzt. Denn die Teilnahme an einem Thaibox-Wettkampf gilt als absolutes Wagnis. Sie ist objektiv mit so grossen Gefahren verbunden, die auch unter den günstigsten Bedingungen nicht auf ein vernünftiges Mass reduziert werden können. Daher wird für die Leistungskürzung einzig vorausgesetzt, dass der schädigende Schlag während einer Kampfrunde erfolgt ist, unabhängig davon, ob er regelkonform oder regelwidrig ausgeführt wurde. Dies gilt umso mehr, als das Verletzungsrisiko beim Thaibox-Wettkampf grösser ist als beim normalen Boxwettkampf. Schliesslich sind beim Thaiboxen nicht nur Boxschläge, sondern auch Tritttechniken mit den Füssen auf Beine, Kopf und Körper des Gegners zulässig.

(Prozess-Nr. des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 336/04)

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