Urteil vom: 1. Oktober 2004
Prozessnummer: 6P.89/2004

Eine Gruppe von neun Personen, die meisten davon Feuerwehrleute, traf sich in einem Kletterzentrum. Einzelne, darunter auch X, der als Leutnant der Ranghöchste der Gruppe war, hatten bereits einige Zeit vorher an einem etwa zweistündigen Instruktionsprogramm teilgenommen. Über weitere Klettererfahrung verfügte niemand. Da die Gruppenmitglieder an der Kletterwand beim Knüpfen der Anseilknoten in die bereits aufgehängten Seile (Top-Rope-Klettern) unsicher waren, wurde B, ein Mitarbeiter des Zentrums, um Hilfe gebeten. Er zeigte vor, wie ein doppelter Achterknoten geknüpft wird und musste die Gruppe wegen anderer Verpflichtungen schon nach kurzer Zeit wieder verlassen.

In der Folge knüpfte X auf Anfrage für A einen Anseilknoten in den an dessen Klettergurt befestigten Karabiner. A kletterte die Wand einmal hoch und wieder hinunter und übergab das Seil an C. Diese reichte es, nachdem sie ebenfalls einmal hinauf und hinunter geklettert war, an Y weiter. Y hängte ihren Karabiner in den Anseilknoten und kletterte die Wand hinauf, wobei sie von C gesichert wurde. Als Y bereits wieder auf halbem Weg zurück war, wurde sie ermuntert, sich im Seil hängend auf den Boden hinunterzulassen. Sie liess sich ins Seil fallen und stürzte, da sich der von X geknüpfte Knoten gelöst hatte, fünf Meter in die Tiefe auf den Boden. Dabei zog sie sich schwere Verletzungen zu. X wurde von der kantonalen Justiz der fahrlässigen schweren Körperverletzung schuldig gesprochen und mit einer Busse von Fr. 1'000.- bestraft. Das Bundesgericht wies seine dagegen eingereichten Beschwerden ab.

Die Vorinstanz sei zu Recht davon ausgegangen, dass der von X geknüpfte Knoten weder korrekt gewesen noch vom Zentrumsmitarbeiter B geprüft worden sei. Der Sturz der Y sei somit darauf zurückzuführen, dass X einen fehlerhaften Anseilknoten in das Seil geknüpft habe. Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung und des gewöhnlichen Laufs der Dinge habe X davon ausgehen müssen, dass sich ein falsch geknüpfter Anseilknoten beim Klettern lösen und so zu einer Beeinträchtigung von Leib und Leben eines Menschen führen könne. Dies umso mehr, als er schon einmal einen Instruktionskurs im Kletterzentrum besucht habe. Da X zudem habe annehmen müssen, dass der von ihm zu erstellende Knoten anschliessend auch tatsächlich von den Gruppenmitgliedern verwendet würde, hätte er den Erfolg seines Handelns voraussehen können. Laut Bundesgericht hätte X selbst dann eine Sorgfaltspflichtverletzung vorgeworfen werden können, wenn B oder andere Vertreter des Kletterzentrums ihn ungenügend instruiert hätten: Denn ohne die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten zum Knüpfen eines korrekten Doppelachters hätte X die Bitte von A, für ihn einen Anseilknoten zu knüpfen, aufgrund der für ihn voraussehbaren Gefahr eines Unfalls abschlagen müssen. Mit dieser Begründung verwarf das Bundesgericht das Argument von X, ihm könne keine Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, da er nicht unsorgfältig gehandelt und den Unfall der Y auch nicht habe voraussehen können.

Auch dem Einwand, die Gruppenmitglieder hätten sich aufgrund ihrer fehlenden Klettererfahrung bewusst dem Risiko einer Verletzung ausgesetzt, weshalb X für eine solche nicht verantwortlich gemacht werden könne, folgte das Bundesgericht nicht: Der Beschwerdeführer habe den fehlerhaften Anseilknoten geknüpft und das Top-Rope-Klettern erscheine nicht so riskant, dass seinem Fehlverhalten im Vergleich zur Eigengefährdung durch Y lediglich unmassgebliche Bedeutung zukomme. Von einer straflosen Mitwirkung an eigenverantwortlicher Selbstgefährdung könne nicht die Rede sein. Damit bestätigte das Bundesgericht die Verurteilung wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung.

(Prozess-Nr. des Bundesgerichts 6P.89/2004 vereinigt mit 6S.250/2004)

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