Urteil vom: 23. Dezember 2003
Prozessnummer: 4C.224/2003
Amtliche Sammlung: 130 III 193

X stürzte im untersten, relativ steilen Teil einer Skipiste und verlor mit aller Wahrscheinlichkeit beim Aufprall auf der hart gefrorenen Unterlage das Bewusstsein. In der Folge rutschte er unkontrolliert rund 75 Meter weit die Piste hinunter und rund zwölf Meter über den Pistenrand hinaus, worauf er über eine Böschung in einen sechzehn Meter tiefen Geländeeinschnitt (Runse) glitt, auf ein dort angebrachtes Rohr aufschlug und sich einen offenen Schädelbruch zuzog. Der Unfall machte einen längeren Spitalaufenthalt erforderlich und führte zu einer voraussichtlich bleibenden Gehbehinderung. X verlangte von der Sportbahnunternehmung Schadenersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Den ablehnenden Entscheid der kantonalen Instanzen zog er bis vors Bundesgericht weiter.

Das Bundesgericht wies diese Berufung ab: Bergbahn- und Skiliftunternehmen, die Pisten erstellen und diese für den Skilauf öffnen, seien grundsätzlich verpflichtet, die zur Gefahrenabwehr zumutbaren Vorsichts- und Schutzmassnahmen vorzukehren (sog. Verkehrssicherungspflicht). Die Verkehrssicherungspflicht verlange zum einen, dass sie vor nicht ohne weiteres erkennbaren, sich als eigentliche Fallen erweisenden Gefahren geschützt werden. Zum anderen sei dafür zu sorgen, dass Pistenbenützer vor Gefahren bewahrt werden, die selbst bei vorsichtigem Fahrverhalten nicht vermieden werden können. Grenzen der Verkehrssicherungspflicht würden die Zumutbarkeit der Schutzmassnahmen und die Selbstverantwortung der einzelnen Pistenbenützer bilden. Zur Beurteilung der Verkehrssicherungspflicht stütze sich das Bundesgericht jeweils auf die von der Schweizerischen Kommission für Unfallverhütung auf Schneesportabfahrten ausgearbeiteten Richtlinien für Anlage, Betrieb und Unterhalt von Schneesportabfahrten (SKUS-Richtlinien) und die von der Kommission Rechtsfragen auf Schneesportabfahrten der Seilbahnen Schweiz herausgegebenen Richtlinien ab (SBS-Richtlinien). Diese verlangten auch eine Sicherung des unmittelbaren Grenzbereichs der Piste, wobei ein Randstreifen von zwei Metern Breite gemeint sei.

Die Stelle, wo X abgestürzt ist, habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls ungefähr zwölf Meter entfernt vom Pistenrand befunden, wobei die Piste ausgefahren und der Pistenrand daher nicht präzis auszumachen gewesen sei. Die Absturzgefahr habe sich somit nicht weit entfernt, aber jedenfalls ausserhalb des gemäss den oben erwähnten Richtlinien zu sichernden, zwei Meter breiten Randbereichs befunden. Ein Selbstverschulden von X könne ausgeschlossen werden. Da im konkreten Fall aber auch keine atypischen oder besonders grossen Gefahren für Leib und Leben vorgelegen hätten, sei die Sportbahnunternehmung nicht verpflichtet gewesen, weitere Schutzmassnahmen über den engeren Pistenrandbereich hinaus zu ergreifen. Es wäre unverhältnismässig und nicht zumutbar, wenn bei quer zum Tal verlaufenden Pisten talseitig durchgehende Sicherungen selbst gegen mehr als zwei Meter vom Pistenrand entfernt liegende Absturzgefahren angebracht werden müssten. Der Unfall habe sich damit aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände zugetragen. Eine Haftung der Sportbahnunternehmung sei zu verneinen.

Volltext des Urteils siehe hier.

Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

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