Urteil vom: 2. März 1999
Amtliche Sammlung: BGE 125 IV 83

Der Linksabbieger, der korrekt eingespurt ist und den linken Blinker gestellt hat, darf - ohne unmittelbar beim Abbiegen nochmals den Verkehr hinter ihm beobachten zu müssen - in der Regel darauf vertrauen, dass ihn kein Verkehrsteilnehmer vorschriftswidrig links überholt (Änderung der Rechtsprechung).

Ein PW-Lenker wollte nach links in das Gässli abbiegen und musste deshalb sicher sein, dass während des Abbiegemanövers kein (vortrittsberechtigtes) Fahrzeug auf der Hauptstrasse entgegenkommt und dass seine Einfahrt in die enge Nebenstrasse nicht durch dortige Fahrzeuge oder Fussgänger, die die Strasse überqueren, behindert wird. Er musste sich somit sowohl nach vorne als auch zur Seite hin vergewissern, ob sein Abbiegemanöver überhaupt möglich sei. Bei dieser Sachlage - und nachdem der PW-Lenker korrekt eingespurt war - würde man die Anforderungen an den Linksabbieger überspannen, wenn man von ihm verlangen wollte, dass er sich unmittelbar beim Abbiegen zusätzlich nochmals nach hinten absichern müsste. Denn je mehr er seine Aufmerksamkeit auf den Rückspiegel und allfällige illegal Überholende richtet, desto mehr vernachlässigt er seine primäre Sicherungspflicht nach vorne und zur Seite. Dies liegt nicht im Interesse der Verkehrssicherheit. Der Umstand, dass ein Rechtsüberholen des Radfahrers wegen des Kopfsteinpflasters risikoreich gewesen wäre, lässt die Vorsichtspflichten des PW-Lenkers nicht in einem wesentlich anderen Licht erscheinen. Nur deswegen musste er jedenfalls nicht damit rechnen, dass ihn der Radfahrer vorschriftswidrig überholen würde. Denn dieser hätte gegebenenfalls anhalten können und müssen. Andere Anzeichen dafür, dass sich der Radfahrer nicht richtig verhalten werde, stellt die Vorinstanz nicht fest. Nachdem der PW-Lenker sein Abbiegemanöver korrekt angezeigt hatte, bestand auch aufgrund der Verkehrslage keine Unklarheit oder Ungewissheit, die nach allgemeiner Erfahrung dem PW-Lenker ein Fehlverhalten des Radfahrers nahegelegt hätte. Unter diesen Umständen beruft sich der PW-Lenker zu Recht auf das Vertrauensprinzip.

Die BFU-Sammlung von Bundesgerichtsentscheiden

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