Arrêt du: 3 juin 2002
N° de procédure: 6A.15/2002
Recueil officiel: BGE 128 II 335
Sachverhalt
R., geboren 1978, erwarb im Mai 1997 seinen Führerausweis der Kategorie B. Mit Verfügung vom 9. Juni 1999 wurde ihm der Führerausweis für die Dauer von zwei Monaten entzogen, weil er am 25. April 1999 ein Motorfahrzeug in angetrunkenem Zustand mit einer minimalen Blutalkoholkonzentration von 0,92 Gewichtspromille gelenkt hatte. Wegen Überschreitens der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 20 km/h wurde er mit Verfügung vom 10. Februar 2000 zum Besuch von einem Tag Verkehrsunterricht verpflichtet.
Am 18. Februar 2001 führte R. seinen Personenwagen um ca. 04.00 Uhr bzw. um ca. 07.10 Uhr von Biel nach Grenchen und wieder zurück nach Biel in nicht fahrfähigem Zustand, d.h. unter Drogeneinfluss und zum zweiten Mal innert 22 Monaten in angetrunkenem Zustand. Die beim Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern (IRM) in Auftrag gegebenen chemisch-toxikologischen Untersuchungen ergaben, dass R. zum Zeitpunkt der Verkehrskontrolle unter dem kombinierten Einfluss von Amphetamin, MDMA (Methylendioxymethamphetamin), Cannabis und Trinkalkohol stand. Aufgrund der Tatsache, dass R. unter dem kombinierten Einfluss dieser Substanzen am Strassenverkehr teilgenommen hatte, empfahl das IRM dringend die Abklärung seiner Fahreignung durch die Administrativbehörde.
Prozessgeschichte
Mit Strafmandat vom 14. Juni 2001 wurde R. vom Untersuchungsrichteramt I Berner Jura-Seeland wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie Führens eines Personenwagens unter Drogeneinfluss und in angetrunkenem Zustand zu einer bedingt aufgeschobenen Strafe von 20 Tagen Gefängnis (Probezeit 3 Jahre) und einer Busse von Fr. 1'000.- verurteilt. R. erhob gegen dieses Strafmandat keinen Einspruch, sodass es in Rechtskraft erwuchs. Mit Verfügung vom 5. September 2001 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern R. den Führerausweis für Motorfahrzeuge in Anwendung von Art. 16 Abs. 3 lit. b und Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG (Strassenverkehrsgesetz) auf die Dauer von 15 Monaten. Die Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern wies die von R. gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 7. November 2001 ab.
Gegen diesen Entscheid führt das Bundesamt für Strassen (ASTRA) Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei an das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern zur medizinischen Abklärung der Eignung von R. zum Führen von Motorfahrzeugen im Sinne von Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG zurückzuweisen.
Das Bundesgericht hiess diese Beschwerde gut.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Im konkreten Fall war die momentane Fahrfähigkeit von R durch übermässigen Konsum von Alkohol in Kombination mit Betäubungsmitteln beeinträchtigt. R konsumierte nach eigenen Angaben am fraglichen Tag nach 9 dl Bier und 1 dl Champagner einen Joint, dies im Wissen darum, dass er nachher noch bzw. wieder ein Motorfahrzeug führen würde. Zudem war er bereits 22 Monate vorher wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand angehalten worden, weshalb ihm der Führerausweis für die Dauer von zwei Monaten entzogen worden war. Auch wegen Verstosses gegen das Betäubungsmittelgesetz war er zuvor schon verzeigt worden. Zudem hatte er anlässlich der polizeilichen Ermittlungen im Zusammenhang mit seinen Verfehlungen vom 18. Februar 2001 eingestanden, seit ungefähr einem Jahr täglich Marihuana zu konsumieren, pro Monat ca. 30 Joints, d.h. rund 15 g Marihuana. Die chemisch-toxikologischen Untersuchungen des IRM stellten über die von R angegebenen Drogen hinaus den Konsum weiterer Drogen (Amphetamin, MDMA) fest. Im Weiteren wurde im Gutachten der Verdacht auf eine starke Gewöhnung von R an die konsumierten Drogen geäussert und abschliessend dringend eine Überprüfung seiner Fahreignung durch die Administrativbehörde empfohlen.
Dass die Administrativbehörde aufgrund der ihr im Juni 2001 bekannten Umstände - vom bzw. von den zwei Gutachten des IRM hat sie wohl erst nach Zustellung der Strafakten Mitte Juli 2001 erfahren - abklären liess, ob R drogenabhängig sei, ist selbstredend nicht zu beanstanden. Wenn das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt aber eine solche Abklärung für erforderlich hielt, hätte es, wie das beschwerdeführende Amt zu Recht geltend macht, sich nicht mit dieser ärztlichen Bestätigung begnügen dürfen. Der Hausarzt machte darin insbesondere keine Angaben darüber, seit wann R von ihm betreut worden war (Frage 1 auf dem Formular). Zudem hätte dem Amt auffallen müssen, dass auf dem vorgedruckten Formular "Ärztliches Zeugnis betr. Fahreignung nach Drogenkonsum" auch die Frage nach der Fahreignung unbeantwortet blieb. Erst recht hätte das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt nach Erhalt des IRM-Gutachtens vom 10. April 2001 betreffend die chemisch-toxikologischen Untersuchungen Anlass genug gehabt, an der Fahreignung von R ernsthaft zu zweifeln und der dringenden Empfehlung des IRM zur Einholung eines entsprechenden Fachgutachtens nachzukommen.
Unter den oben genannten Umständen erweisen sich die Abklärungen der Administrativbehörden als offensichtlich unvollständig. Nicht erst die Vorinstanz, sondern schon das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt hätte ein verkehrsmedizinisches und -psychologisches Gutachten durch ein spezialisiertes Institut anordnen müssen - dies spätestens nach Erhalt des Gutachtens des IRM vom 10. April 2001 durch die Zustellung der Strafakten Mitte Juli 2001. Zu diesem Zeitpunkt hätte es auch unverzüglich prüfen müssen, ob die Voraussetzungen für die vorsorgliche Abnahme des Führerausweises gegeben gewesen wären. Indem sowohl das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt als auch die Vorinstanz auf die Einholung eines Fachgutachtens verzichteten, haben sie ihre Ermittlungspflicht verletzt.
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