Arrêt du: 25 avril 2018
N° de procédure: 6B_999/2017
Sachverhalt
X.geriet am 27. Januar 2016 um 11.50 Uhr als Lenker eines Personenwagens in eine Verkehrskontrolle, nachdem er ein Linksabbiegeverbot missachtet hatte. Die Polizeibeamten vermerkten unruhiges, nervöses, angetriebenes und sich während der Kontrolle zunehmend normalisierendes Verhalten sowie kleine Pupillen und Cannabisgeruch. Ein Drogenschnelltest ergab ein positives Resultat auf Amphetamine und Benzodiazepine. Der Gang von X. beim Aussteigen, seine Reaktionen sowie seine Sprache seien laut Polizeiprotokoll unauffällig gewesen. Der anlässlich der polizeilich angeordneten Blutentnahme eine Stunde und 15 Minuten nach der Anhaltung erstellte ärztliche Untersuchungsbefund hält einen leichten bis mittleren Beeinträchtigungsgrad, ein verlangsamtes Verhalten, einen leicht schwankenden Strichgang und Schwitzen fest. Beim Romberg-Test schätzte X. die innere Uhr mit 16 anstatt 30 Sekunden. Die restlichen ärztlichen Befunde sind unauffällig. Im Blut von X. konnte der im Medikament Lexotanil enthaltene Wirkstoff Bromazepam nachgewiesen werden. Die Konzentration war nach dem "Kurzgutachten Fahrfähigkeit" des Kantonsspitals Aarau vom 3. März 2016 (korrigiert am 14. November 2016) im therapeutischen Bereich und pharmakologisch wirksam. Dieser Befund sowie die Einschätzungen der Polizeibeamten und des Arztes bei der Blutentnahme liessen für die Verfasser des "Kurzgutachtens Fahrfähigkeit" nach dem sogenannten 3-Säulen-Prinzip den Schluss zu, X. sei im Ereigniszeitpunkt nicht fahrfähig gewesen.
Prozessgeschichte
Erstinstanzlich wurde X vom Vorwurf des Fahrens in fahrunfähigem Zustand freigesprochen und wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 100.- verurteilt. Auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin sprach das kantonale Obergericht X dann des eventualvorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand sowie der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Geldstrafe sowie einer Übertretungs- und Verbindungsbusse. X gelangte daraufhin ans Bundesgericht, welches seine Beschwerde teilweise guthiess, das vorinstanzliche Urteil aufhob und die Sache zu neuer Entscheidung ans Obergericht zurückwies.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Die Vorinstanz stützt sich primär auf das spätere "Kurzgutachten Fahrfähigkeit" des Kantonsspitals Aarau vom 3. März 2016 . Laut diesem befand sich X im Ereigniszeitpunkt in einem nicht fahrfähigen Zustand. Die im Blut von X nachgewiesene Konzentration von Bromazepam wirkt gemäss Gutachten im therapeutischen Bereich dämpfend-sedierend bzw. schlafinduzierend und führt zu einer verminderten Konzentrationsfähigkeit und Beeinträchtigung der Muskelfunktion. Die Gutachter stützen ihre Begründung im Einklang mit Art. 16 Abs. 2 SKV (Strassenverkehrskontrollverordnung) nebst dem Blutanalyseergebnis auch auf die Feststellungen der Polizei und die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen am Tag des Ereignisses. Das Gutachten erscheint zumindest nicht offensichtlich unschlüssig und die Vorinstanz darf deshalb ohne Verstoss gegen das Verbot der Willkür darauf abstellen. Ferner darf die Vorinstanz im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung auch berücksichtigen, dass X das Signal "Abbiegen nach links verboten" gar nicht erst gesehen habe.
Die Vorinstanz verletzt indessen Bundesrecht, indem sie X des eventualvorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand schuldig spricht. Hinreichende Hinweise auf eine Inkaufnahme der Fahrunfähigkeit sind entgegen der zumindest impliziten diesbezüglichen Auffassung der Vorinstanz nicht ersichtlich. Für die Substanz Bromazepam existiert nach heutigem Kenntnisstand kein gesicherter Erfahrungs- und Grenzwert für die Fahrfähigkeit und der Gesetzgeber verlangt entsprechend die Begutachtung durch einen Sachverständigen. Es kann daher selbst im Nachhinein nicht ohne Weiteres auf fehlende Fahrfähigkeit aufgrund dieser Substanz geschlossen werden. Daraus, dass der nicht vorbestrafte X gemäss der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung das betreffende ärztlich verschriebene Medikament schon seit 23 Jahren einnimmt und am Strassenverkehr teilnimmt, lässt sich zwar mit der Vorinstanz nicht darauf schliessen, dass er auch am 27. Januar 2016 uneingeschränkt fahrfähig war. Nach einer solch langjährigen Erfahrung durfte X jedoch zumindest darauf vertrauen, dass er auch an diesem Tag fahrfähig war.
Dass X vorgängig die Patienteninformation nicht gelesen und sich beim Arzt nicht informiert hatte, stellt noch kein erhebliches Risiko oder eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung seinerseits dar. Die Fahrunfähigkeit drängte sich vorliegend nicht in derart wahrscheinlicher Weise auf, dass ihm eine Bereitschaft, diesen Erfolgseintritt hinzunehmen, im Sinne einer Inkaufnahme vorgeworfen werden kann. Da der Arzt von X diesem unter Berücksichtigung der Medikation ausdrücklich eine Fahreignung attestiert, kann die Vorinstanz entgegen ihrer Begründung geradezu offensichtlich nicht auf Eventualvorsatz schliessen, weil Letzterer eine ärztliche Konsultation unterlassen habe. Wie auch die Vorinstanz wiedergibt, ergibt sich sodann aus der Patienteninformation des Medikaments Lexotanil lediglich, dass aufgrund der möglichen (Neben-) Wirkungen die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt werden kann. Damit hätte X selbst bei Studium der Patienteninformation bloss um die Möglichkeit einer entsprechenden Beeinträchtigung gewusst.
Folgerungen bfu daraus
Auch wenn im konkreten Fall die Inkaufnahme eines Fahrens in fahrunfähigem Zustand verneint wurde, zeigt das Urteil den Zusammenhang Medikamentenkonsum / Fahrfähigkeit und die grundsätzliche Möglichkeit von entsprechenden Strafen sehr gut auf.
Ebenfalls resultiert aus dem Urteil, wie wichtig es ist, bei neu eingenommenen Medikamenten die mögliche Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit mit dem Arzt bzw. Apotheker abzuklären. Nur wenn eine Medikation gut eingestellt ist, kann es möglich werden, Compliance (Therapietreue der Patienten) und die Beachtung der Verkehrsregeln miteinander zu vereinbaren.
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