Führerausweisentzug auf unbestimmte Zeit wegen diagnostizierter Alkoholabhängigkeit
Arrêt du: 22 juin 2017
N° de procédure: 1C_147/2017
Sachverhalt
A. Jahrgang 1959, erhielt den Führerausweis 1993. Am 16. Mai 2011 ersuchte er um Erteilung des Lernfahrausweises der Kategorie A1 (leichte Motorräder). Da er im Gesuch die Frage nach einer in der Vergangenheit erfolgten Hospitalisierung in einer Heilstätte für Alkoholkranke bejahte, stellte ihm das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich am 8. September 2011 die Durchführung einer Fahreignungsbeurteilung durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (IRMZ) in Aussicht. Wegen gesundheitlicher Probleme (Rückenwirbelbrüche auf Grund einer Osteoporose) deponierte A. in der Folge seinen Führerausweis am 29. September 2011 freiwillig beim Strassenverkehrsamt und verzichtete im Dezember 2011 bzw. Januar 2012 auf die terminierte Untersuchung am IRMZ.
Nachdem sich A. um die Wiedererteilung des hinterlegten Führerausweises beworben hatte, unterzog er sich am 28. Dezember 2015 der verkehrsmedizinischen Untersuchung am IRMZ. Im Gutachten des IRMZ vom 26. Februar 2016 wird die Fahreignung von A. angesichts einer verkehrsrelevanten Alkoholproblematik verneint. Die Gutachter empfehlen, zunächst eine mindestens einjährige Alkoholabstinenz einzuhalten, bevor erneut aus verkehrsmedizinischer Sicht zur Fahreignung Stellung genommen werden könne.
Prozessgeschichte
Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs entzog das Strassenverkehrsamt, Abteilung Administrativmassnahmen, A. mit Verfügung vom 14. April 2016 den Führerausweis mit Wirkung ab 29. September 2011 auf unbestimmte Zeit. Die Wiedererteilung des Führerausweises wurde gestützt auf das Gutachten des IRMZ von der Durchführung einer mindestens einjährigen fachtherapeutisch kontrollierten Alkoholabstinenz sowie einer positiv lautenden verkehrsmedizinischen Untersuchung abhängig gemacht.
Diese Verfügung focht A. bei der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich an. Diese wies den Rekurs ab.
Dagegen erhob A. Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, welches die Beschwerde abwies. Zugleich wies es das Gesuch von A. um unentgeltliche Rechtspflege als aussichtslos ab und auferlegte diesem die Gerichtskosten.
A. führte daraufhin Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Er beantragt, der Entzug des Führerausweises und die damit verbundene Auflage einer einjährigen Totalabstinenz seien aufzuheben, und der Führerausweis sei ihm - eventualiter unter einer angemessenen und verhältnismässigen Auflage - zurückzugeben. Das Bundesgericht hat diese Beschwerde abgewiesen.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Die Rechtsprechung bejaht eine Trunksucht, wenn die betroffene Person regelmässig so viel Alkohol konsumiert, dass ihre Fahrfähigkeit vermindert wird und sie diese Neigung zum übermässigen Alkoholgenuss durch den eigenen Willen nicht zu überwinden oder zu kontrollieren vermag. Auf eine fehlende Fahreignung darf geschlossen werden, wenn die Person nicht mehr in der Lage ist, Alkoholkonsum und Strassenverkehr ausreichend zu trennen, oder wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass sie im akuten Rauschzustand am motorisierten Strassenverkehr teilnimmt. Die Person muss mithin in einem Mass abhängig sein, dass sie mehr als jede andere Person der Gefahr ausgesetzt ist, sich in einem Zustand ans Steuer eines Fahrzeugs zu setzen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet. Der Suchtbegriff des Verkehrsrechts deckt sich nicht mit dem medizinischen Begriff der Alkoholabhängigkeit. Auch bloss suchtgefährdete Personen, bei denen aber jedenfalls ein Alkoholmissbrauch vorliegt, können vom Führen eines Motorfahrzeugs ferngehalten werden.
Ist die Fahreignung nicht mehr gegeben, muss ein Sicherungsentzug zwingend angeordnet werden. Als schwerwiegender Eingriff in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen setzt er eine sorgfältige Abklärung aller wesentlichen Gesichtspunkte voraus.
Das Gutachten im konkreten Fall beruht auf einer Konsultation der bisherigen Krankheitsgeschichte und einer eingehenden Untersuchung von A mit anerkannten Testmethoden. Die Ergebnisse und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen, wonach bei A eine Alkoholabhängigkeit besteht, welche noch nicht als überwunden gelten kann, erscheinen nachvollziehbar. Mit Blick auf die sorgfältigen verkehrsmedizinischen Abklärungen aller wesentlichen Gesichtspunkte sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Vorinstanzen vom Gutachten hätten abweichen müssen.
Bei diagnostizierter Alkoholabhängigkeit ist ein Sicherungsentzug in aller Regel zwingend. Bei Alkoholabhängigkeit ist die Person per Definition in einem Mass abhängig, welches sie mehr als jede andere Person gefährdet erscheinen lässt, sich in einem Zustand ans Steuer eines Fahrzeugs zu setzen, der das sichere Führen nicht mehr gewährleistet. Eine Alkoholabhängigkeit erlaubt es mit anderen Worten nicht, ausreichend zwischen dem Suchtmittelkonsum und dem Strassenverkehr zu trennen. Für den Nachweis der Heilung einer Alkoholabhängigkeit wird eine mindestens einjährige kontrollierte Abstinenz verlangt (BGE 129 II 82 E. 2.2 S. 84; 131 II 248 E. 4.1 S. 250). A hat diesen Nachweis einer mindestens einjährigen Totalabstinenz unbestrittenermassen bislang nicht erbracht.
Soweit A geltend macht, er sei nie im angetrunkenen Zustand gefahren, kann er hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Entgegen seiner Ansicht kann aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht abgeleitet werden, dass zumindest eine Trunkenheitsfahrt nachgewiesen werden muss, um einen Ausweisentzug im Sinne von Art. 16d lit. b SVG zu rechtfertigen. Der Sicherungsentzug bezweckt, die zu befürchtende Gefährdung der Verkehrssicherheit durch einen ungeeigneten Fahrzeugführer in der Zukunft zu verhindern und wird allein aus Gründen der Verkehrssicherheit angeordnet. Er knüpft - im Gegensatz zum Warnungsentzug - gerade nicht an ein strafrechtlich vorwerfbares schuldhaftes Verhalten, sondern an die fehlende Fahreignung an.
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