Arrêt du: 8 avril 2021
N° de procédure: 6B_1429/2020
Recueil officiel: BGE 147 IV 225

Kurzfassung
Das Bundesgericht klärt in einem zur Publikation vorgesehen Grundsatzurteil die Konkurrenzfrage zwischen den zwei Unterarten von Fahren in fahrunfähigem Zustand. Es betont, dass die Situation verschlimmert werde – also das Risiko sich erhöhe -, wenn gleich mehrere Gründe für Fahrunfähigkeit vorliegen und trotzdem gefahren werde. Deshalb sei auch eine strengere Bestrafung gerechtfertigt als für den Fall, wo nur ein Grund für Fahrunfähigkeit vorliege.

Sachverhalt
A fuhr am 7.4.2019 um 03.30 Uhr mit einer qualifizierten Blutalkoholkonzentration von 0.92 Promille Auto. Gleichzeitig war er in übermüdetem Zustand unterwegs, da er seit 24 Stunden nicht mehr geschlafen hatte. Er ist am Steuer eingeschlafen und hat die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren. Sein Auto fuhr in einen Kandelaber am Strassenrand und kam ca. 70 Meter unterhalb der Strasse auf einer Wiese zum Stillstand.

Prozessgeschichte
In erster Instanz wurde A wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand, Fahrens in fahrunfähigem Zustand aus anderen Gründen und der Verletzung von Pflichten nach einem Unfall zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à CHF 60 pro Tag, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs während zwei Jahren und zu einer Busse von CHF 1'800.- verurteilt.
A war damit nicht einverstanden und gelangte ans kantonale Gericht. Dieses Gericht hat seine Beschwerde teilweise gutgeheissen und A von der Verletzung von Pflichten nach einem Unfall freigesprochen. Es verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à CHF 60 pro Tag, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs während zwei Jahren und zu einer Busse von CHF 1'000.-. Im Übrigen wurde das Urteil der Vorinstanz bestätigt. A gelangte daraufhin ans Bundesgericht und verlangte, er solle nur wegen eines Verstosses gegen Art. 91 Abs. 2 SVG (Fahren in fahrunfähigem Zustand) verurteilt werden. Dementsprechend sei die Strafe zu modifizieren. Das Bundesgericht hat diese Beschwerde abgewiesen.

Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts

  • A bestreitet nicht, beide lit. von Art. 91 Abs. 2 SVG erfüllt zu haben (lit. a / Fahren in angetrunkenem Zu-stand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration und lit. b / aus anderen Gründen fahrunfähig und ein Motorfahrzeug geführt). Er wendet sich jedoch gegen die strengere Bestrafung aufgrund der Erfüllung beider Tatbestände.
  • Das Bundesgericht musste bis jetzt die Frage der Konkurrenz zwischen den beiden durch Art. 91 Abs. 2 SVG geregelten Tatbeständen des Fahrens in fahrunfähigem Zustand noch nicht klären. In der Theorie existieren dazu unterschiedliche Auffassungen. Durch eine Auslegung von Art. 91 Abs. 2 SVG ist das Bundesgericht zum Schluss gelangt, dass diese beiden Unterarten von Fahrunfähigkeit vom Fahrzeuglenker je ein unterschiedliches, sich ergänzendes Verhalten verlangen. Er oder sie darf weder im alkoholisierten Zustand fahren, noch darf er oder sie unter dem Einfluss von Drogen, Medikamenten oder im übermüdeten Zustand fahren. Dementsprechend entspringe der deliktische Wille unterschiedlichen Ursprungs, auch wenn das Resultat – d.h. die Fahrunfähigkeit – dasselbe sei. Deshalb werde kein Bundesrecht verletzt, wenn die Erfüllung beider Tatbestände aufgrund einer Verschlimmerung der Situation strenger bestraft werde als der Fall, wo nur einer der beiden Tatbestände erfüllt sei.
  • Zwischen diesen beiden Tatbeständen besteht also sog. echte Konkurrenz. Dementsprechend sei Art. 49 Abs. 1 StGB (Strafgesetzbuch) anwendbar. Gemäss Art. 49 Abs. 1 StGB (Strafgesetzbuch) verurteilt das Gericht den Täter zu der Strafe der schwersten Straftat und erhöht diese angemessen, wenn ein Täter durch eine oder mehrere Handlungen die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt. Es darf jedoch das Höchstmass der angedrohten Strafe nicht um mehr als die Hälfte erhöhen. Dabei ist es an das gesetzliche Höchstmass der Strafart gebunden.


  • Folgerungen BFU daraus
  • Indem das Bundesgericht in diesem Grundsatzurteil festgehalten hat, dass zwischen den beiden Straftatbeständen, welche in Art. 91 Abs. 2 SVG geregelt sind (Fahren in angetrunkenem Zustand mit qualifizierter Atemalkohol- oder Blutalkoholkonzentration und aus anderen Gründen fahrunfähig ein Motorfahrzeug Führen) echte Konkurrenz besteht, macht es deutlich, dass es um verschiedene Risikofaktoren geht, welche im Strassenverkehr zu Unfällen führen können (Alkohol einerseits bzw. Drogen, Medikamen-te und Übermüdung andererseits). Diese Einschätzung des Bundesgerichts deckt sich mit der BFU-Haltung, welche gestützt auf eine Analyse der Unfallstatistik auch differenziert zwischen verschiedenen Risikofaktoren für den Strassenverkehr und die Kombination verschiedener Risikofaktoren als speziell gefährlich einstuft.
  • Dass gestützt darauf dann das sog. Asperationsprinzip (Art. 49 StGB) zur Anwendung gelangt und demzufolge vom härtesten Straftatbestand ausgegangen und die Strafe angemessen erhöht wird, ist ebenfalls zu begrüssen. Damit wird unterstrichen, dass Unfälle – verursacht durch diese Risikofaktoren - zu Toten und Schwerverletzten führen können und daher entsprechend zu sanktionieren sind. Auch wenn dadurch allein das Rückfallrisiko des verkehrsdelinquenten Lenkers kaum massgeblich reduziert wird, ist das Bekanntmachen der Androhung von harten Strafen für häufige Verkehrsdelikte ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Legalbewährung (Generalprävention) im Allgemeinen. Noch wirksamer für die Verkehrssicherheit sind allerdings rasch ausgesprochene Führerausweisentzüge von einer bestimmten Länge, weil damit Fahrer mit einem grösseren Sicherheitsrisiko für eine bestimmte Zeit vom Strassenverkehr ferngehalten werden.
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