Arrêt du: 2 décembre 2006
N° de procédure: 6S.465/2006
Sachverhalt
X, ein ausländischer Lastwagenchauffeur mit rund 20 Jahren Berufserfahrung, fuhr aus seiner Heimat kommend bei einer Schweizer Firma vor, um dort Früchte und Gemüse abzuladen. Er steuerte seinen Lastwagen samt Anhänger rückwärts bis auf 3–4 m an die Entladerampe heran, stieg bei laufendem Motor aus und öffnete die Türen des Anhängers. Dann setzte er sich wieder in die Führerkabine und fuhr im Schritttempo Richtung Rampe. Eine Hilfsperson zog er nicht bei. Zwischen dem Öffnen der Anhängertüren und dem erneuten Losfahren waren 20–30 Sekunden verstrichen, in denen X den Bereich auf der Beifahrerseite sowie jenen hinter seinem Lastwagen nicht überblicken konnte. Es entging ihm daher, dass sich in der Zwischenzeit der Pneulieferant Z zur Entladerampe direkt hinter den Anhänger begeben hatte. Z wollte sich dort bei einem Arbeiter erkundigen, wohin er seine Ware bringen könne. Obwohl der Arbeiter ihn noch zu warnen versuchte, wurde Z vom Anhänger des Lastwagens gegen die Rampe gedrückt. Er verstarb kurze Zeit später im Spital.
Prozessgeschichte
In der Folge wurde X kantonal letztinstanzlich der fahrlässigen Tötung für schuldig befunden und mit 18 Tagen Gefängnis und einer Busse von Fr. 600.– bestraft. X beschwerte sich dagegen vor Bundesgericht. Dieses bestätigte das Urteil der Vorinstanz.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Wer fahrlässig, d. h. durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht, den Tod eines Menschen verursacht, wird gemäss Art. 117 StGB (Strafgesetzbuch, Fassung bis Ende 2006) mit Gefängnis oder Busse bestraft. Das Mass der Sorgfalt, die X zu beachten hatte, richtete sich nach den Bestimmungen des SVG (Strassenverkehrsgesetz) und der VRV (Verkehrsregelnverordnung). Nach Art. 36 Abs. 4 SVG ist ein Fahrzeugführer, der rückwärtsfahren will, gegenüber allen anderen Strassenbenutzern vortrittsbelastet und darf sie nicht behindern. Art. 17 VRV konkretisiert diese Sorgfaltspflichten und schreibt in Abs. 1 explizit vor, dass ein Fahrzeugführer beim Rückwärtsfahren eine Hilfsperson beiziehen muss, sofern nicht jede Gefahr ausgeschlossen ist. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die mit dem Rückwärtsfahren verbundenen Gefahren besonders gross sind. Deshalb ist der Lenker zu besonderer und erhöhter Sorgfalt verpflichtet, sodass Gefahren für Dritte gar nicht erst entstehen.
X argumentierte vor Bundesgericht, es habe keinerlei Gefahr bestanden, da er nur kurz nach der letzten durchgeführten Sichtkontrolle lediglich 3–4 m zurückgelegt habe. Auch habe er nicht mit dem unvernünftigen Verhalten von Z rechnen müssen. Das Bundesgericht widersprach ihm: Z sei verstorben. Somit habe eine konkrete Gefahr nicht nur bestanden, sondern sich sogar realisiert. Beim Lastwagen von X handle es sich offenbar um ein Fahrzeug mit beschränkter Sicht nach hinten. Zudem habe das Kühlaggregat des Lastwagens einen beträchtlichen Lärm verursacht. X wäre deshalb in der konkreten Situation verpflichtet gewesen, eine Person beizuziehen, die das Manöver überwacht hätte. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass im Heimatland von X ein Beizug Dritter angeblich nicht üblich sei. Anwendung finde vorliegend ausschliesslich das schweizerische Recht, dessen Bestimmungen X als bekannt vorauszusetzen seien.
Wer wie X bei einem solchen Manöver auf den Beizug einer Hilfsperson verzichte, verletze seine Sorgfaltspflicht, hielt das Bundesgericht fest. Aufgrund seiner Berufserfahrung hätten X einerseits die mit dem Rückwärtsfahren verbundenen Gefahren bewusst sein müssen. Andererseits habe er damit rechnen müssen, dass sich bei der öffentlich zugänglichen Verladerampe ein Dritter aufhalten könnte. Im Übrigen hätten Dritte (im Sinn von Art. 17 Abs. 1 VRV) davon ausgehen dürfen, dass zum Rückwärtsfahren eine Hilfsperson zugezogen würde. Der Tod von Z hätte durch den (problemlos möglichen und auch zumutbaren) Beizug einer Hilfsperson mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können. Damit wies das Bundesgericht die Beschwerde von X ab.
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