Arrêt du: 16 février 2007
N° de procédure: 6P.194/2006
Sachverhalt
Der Lastwagenfahrer X fuhr im Frühling 2003 im Kolonnenverkehr in einen Kreisverkehrsplatz ein und wollte diesen über die nächstfolgende Ausfahrt wieder verlassen. Innerhalb des Kreisels blieb zwischen dem Lastwagen und dem rechtsseitigen Trottoir ein rund 50 cm breiter Freiraum. Diesen benützte ein Motorfahrradfahrer, der gleichzeitig mit X in den Kreisverkehrsplatz hineingefahren war. In der Folge kam es zur Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen. Dabei zog sich der Motorfahrradfahrer erhebliche Verletzungen zu.
Knapp vier Monate später war X mit seinem Lastwagen mit ca. 53 km/h auf einer Landstrasse unterwegs. Als er rechter Hand über ein Trottoir in einen Weg einbiegen wollte, bremste er stark ab und schwenkte für sein Manöver auf die Gegenfahrbahn aus. Anschliessend beschleunigte er wieder auf ca. 16 km/h und bog wie beabsichtigt nach rechts ab. Aus der gleichen Richtung kommend wie X war zur selben Zeit ein Jogger im Laufschritt unterwegs. Dieser wurde vom Lastwagen auf dem Trottoir erfasst und verstarb.
Prozessgeschichte
X wurde von der kantonalen Justiz der fahrlässigen schweren Körperverletzung des Motorfahrradfahrers sowie der fahrlässigen Tötung des Joggers schuldig gesprochen und zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zwei Monaten und einer Busse von Fr. 2'000.– verurteilt. Die dagegen von X erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht ab.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung muss der Führer eines Lastwagens mit einem toten Sichtwinkel sich der Gefahren, die sich aus der fehlenden Einsehbarkeit einzelner Bereiche ergeben, bewusst sein. Dem Chauffeur kann nur dann keine Sorgfaltspflichtsverletzung (und damit keine Fahrlässigkeit) zur Last gelegt werden, wenn er auch bei Anwendung aller gehörigen und zumutbaren Vorsicht einen im sichttoten Bereich seines Fahrzeugs verborgenen anderen Verkehrsteilnehmer nicht hätte erkennen können und mit einem solchen aufgrund der konkreten Verhältnisse auch nicht hätte rechnen müssen.
X sei zu Recht der fahrlässigen Körperverletzung durch ungenügende Aufmerksamkeit schuldig gesprochen worden, befand das Bundesgericht: Einerseits habe er im Kolonnenverkehr nicht auf den nachfolgenden Verkehr geachtet. Andererseits sei er den Gefahren des toten Sichtwinkels nicht mit der gebotenen erhöhten Vorsicht begegnet. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz hatte X erst beim Verlassen des Kreisels das erste Mal in den Rück- bzw. Seitenspiegel geschaut. Hätte er den nachfolgenden Verkehr bereits während der verlangsamten Anfahrt zum Kreisverkehrsplatz beachtet, hätte er das herannahende und kurz vor dem Kreis rechts neben ihm fahrende Motorfahrrad sehen können und müssen. Zudem wusste X, dass er den Motorfahrradfahrer überholt hatte. Folglich hätte er im Kolonnenverkehr damit rechnen müssen, dass der Motorfahrradfahrer in seinem toten Sichtwinkel aufschliessen und er ihn beim Abbiegemanöver aus dem Kreis gefährden könnte. Ausserdem hatte der Motorfahrradfahrer zu Beginn genügend Platz gehabt, um im Sinn von Art. 42 Abs. 3 und 4 VRV (Verkehrsregelverordnung) rechts neben der Fahrzeugkolonne vorbeizufahren. Wenn ein Chauffeur zuerst einen so weiten Abstand vom Strassenrand einhalte, dass er regelkonform rechts überholt werden könne, sei er zu besonderer Vorsicht verpflichtet, hielt das Bundesgericht fest. Unter solchen Umständen dürfe ein Chauffeur erst rechts abbiegen oder den Kreisverkehrsplatz rechter Hand verlassen, wenn er durch Beobachtung des rechten Aussenspiegels sicher sei, dass es nicht zu einem Zusammenstoss mit anderen komme. Wenn ein Chauffeur eine Kollision nicht mit Sicherheit ausschliessen könne, müsse er sein Manöver langsam, „im Sinn eines schrittweisen Vortastens“ (und nicht wie X mit ca. 10 km/h) ausführen. Auch das Betätigen des rechten Blinkers bei der Anfahrt zum Kreisverkehrsplatz habe X nicht die Sicherheit verschaffen können, dass nicht ein Motorfahrradfahrer rechts aufschliessen würde. Denn selbst eine pflichtgemässe Zeichengebung entbinde den Fahrzeugführer nicht von der gebotenen Vorsicht.
Den Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung erachtete das Bundesgericht ebenfalls als rechtmässig: X habe mit Passanten im sichttoten Bereich seines Lastwagens rechnen müssen. Die sich aus dem toten Sichtwinkel ergebenen Risiken hätte er durch erhöhte Aufmerksamkeit und geeignete Vorkehrungen ausschalten sollen. X hätte deshalb erst nach rechts abbiegen dürfen, wenn er durch Beobachten des rechten Aussenspiegels sicher sein konnte, dass er nicht mit einem Passanten kollidieren würde. Ohne diese Gewissheit hätte X sein Abbiegemanöver lediglich im Schritttempo statt mit 16 km/h ausführen dürfen. Das Verhalten des Joggers, der mit Kopfhörer und gesenktem Blick gelaufen sei, sei nicht derart ungewöhnlich gewesen, dass damit schlechterdings nicht habe gerechnet werden müssen. X sei dem Jogger gegenüber zu erhöhter Vorsicht verpflichtet gewesen und hätte ihm zudem den Vortritt gewähren müssen. Weil X diese Pflicht missachtet habe, sei der Jogger tödlich verletzt worden. Im Übrigen habe die Vorinstanz entgegen der Ansicht von X auch seine Ansprüche auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren nicht verletzt.
(Prozess-Nr. des Bundesgerichts 6P.194/2006 vereinigt mit 6S.429/2006)
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