Arrêt du: 29 octobre 2002
N° de procédure: 4C.190/2002
Recueil officiel: 129 III 65
Sachverhalt
A war am 8. Januar 1996 in seinem Wagen auf einer Kantonsstrasse unterwegs. Er fuhr mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h, als sein Wagen in der Nähe einer Linkskurve auf einer vereisten Stelle ins Rutschen kam und in einen Baum am rechten Strassenrand prallte. Der Unfall ereignete sich um 7.40 Uhr. Der fragliche Strassenabschnitt war gegen 4.30 Uhr vom kantonalen Strassenwärter inspiziert worden. Dieser hatte in der Annahme, die Strasse sei lediglich nass, darauf verzichtet, einen Salzstreuwagen aufzubieten. Die Gefahr der Glatteisbildung war allerdings bereits einen Tag vorher im Wetterbericht angekündigt worden.
Prozessgeschichte
Mit dem Argument, die Strasse sei am Unfallort nicht genügend sicher gewesen, verlangte A in der Folge vom zuständigen Kanton Ersatz für den entstandenen Schaden von Fr. 16'000.–. Er zog den Fall über alle Instanzen bis vor Bundesgericht. Dieses bejahte die Werkeigentümerhaftung des Kantons und setzte sich ausführlich mit der Schadensverteilung auseinander.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Art. 58 OR (Obligationenrecht) verpflichtet den Eigentümer eines Gebäudes oder eines anderen Werks (wie z. B. einer Strasse) den Schaden zu ersetzen, der infolge fehlerhafter Anlage oder Herstellung oder wegen mangelhaften Unterhalts des Werks verursacht wird. Ein Werk gilt als mangelhaft, wenn es den Benützern bei zweckgemässem Gebrauch nicht genügend Sicherheit bietet. Bei Strassen werden die Art der Strasse sowie der bestimmungsgemässe Verkehr berücksichtigt. Da nicht jedes Risiko ausgeschlossen werden kann, ist nicht jede Gefahrenquelle ein Mangel in der Herstellung oder im Unterhalt. Ein Strassenbenützer weiss, dass Strassen Naturgewalten ausgesetzt sind und deren Benützung unter Umständen gefährlich sein kann. Der Verkehr hat sich den Strassenverhältnissen anzupassen und nicht umgekehrt. Bei der Beurteilung der Haftung des Gemeinwesens ist laut Bundesgericht zu beachten, dass nur ein ökonomisch und technisch zumutbarer Aufwand für Strassenbau und -unterhalt verlangt werden kann. So ist bei Glatteis möglichst schnell der Verkehr auf allen wichtigen Strassen wieder zu ermöglichen. Falls erforderlich muss für besonders gefährliche Strassen ein Fahrverbot erlassen werden. Ausser auf Autobahnen besteht ausserorts grundsätzlich keine Pflicht, die Fahrbahn mit Salz oder Sand zu bestreuen. Bei verkehrsreichen Strassen genügt es daher, wenn gefährliche Abschnitte innerhalb einer vernünftigen Zeit wieder befahrbar gemacht werden. Innerorts müssen vor allem im Interesse der Fussgänger Schnee und Eis beseitigt werden. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt ist die Bildung von Eis auf nassen Strassen voraussehbar. Ein Fahrzeuglenker hat bei solchen Umständen seine Geschwindigkeit zu reduzieren und wenn nötig im Schritttempo zu fahren. Wer dies nicht genügend beachtet und zu schnell fährt, kann sich nicht auf die Haftung des Gemeinwesens berufen.
Aus den genannten Gründen verneinte die Rechtsprechung bis anhin die Haftung des Strasseneigentümers, wenn sich ein Unfall ausserhalb einer Ortschaft ereignete. Im vorliegenden Fall kam das Bundesgericht jedoch zum Schluss, der Kanton sei seiner Unterhaltspflicht in Bezug auf die Strasse nicht nachgekommen und müsse als Werkeigentümer haften. Ausschlaggebend war, dass die Eisbildung aufgrund des Wetterberichts und des schmelzenden Schnees am Strassenrand voraussehbar und auch vermeidbar gewesen war. Der Strassenwärter hatte die Verhältnisse aber falsch beurteilt und es zu Unrecht unterlassen, einen Salzstreuwagen einzusetzen. Da zu jenem Zeitpunkt nirgends ein Streuwagen eingesetzt war, hätte das Gemeinwesen die Mittel gehabt, die Glatteisbildung auf dem als gefährlich bekannten Strassenabschnitt zu verhindern. Dieser lag zwar ausserhalb, aber in unmittelbarer Nähe einer Wohnzone. Der Kanton hatte die Sicherheit der Strasse nicht garantiert. A hingegen hatte die Fahrgeschwindigkeit nicht den Verhältnissen angepasst und damit Art. 32 SVG (Strassenverkehrsgesetz) verletzt. Ihm war somit ein erhebliches Mitverschulden am Unfall anzulasten. Zudem musste er auch das Risiko der Betriebsgefahr (Art. 60 SVG) tragen. Unter diesen Umständen erachtete das Bundesgericht es als gerechtfertigt, dass der Kanton 40 % des entstandenen Schadens übernehmen musste.
(vgl. auch Die Praxis des Bundesgerichts [Pra] 7/2003 Nr. 121)
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