Arrêt du: 16 juin 2008
N° de procédure: 8C_504/2007
Eine Fussgängerin mit ca. 1 Gewichtspromille Alkohol im Blut legte sich zum Zwecke der Erlangung von Aufmerksamkeit und Zuwendung ausserorts in dunkler Kleidung auf eine Hauptstrasse. Sie wurde von einem Auto erfasst und dabei schwer verletzt. Das Bundesgericht erachtete eine Kürzung der Leistungen um 50% als haltbar.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts:
Indem sich die Versicherte an einem Samstagabend im November um 22.40 Uhr bei schlechtem Wetter in dunkler Kleidung ausserorts auf eine Hauptstrasse legte, setzte sie sich einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben aus, welche sich in der Folge auch - in Form einer erheblichen Gesundheitsschädigung - verwirklichte. Ein schützenswerter Grund für dieses Verhalten ist nicht ersichtlich. Überdies war es unter den gegebenen Umständen auch nicht möglich, die Gefahr auf ein vernünftiges Mass zu reduzieren. Das Vorgehen der Beschwerdeführerin ist daher als absolutes Wagnis zu qualifizieren.
Nach der Rechtsprechung liegt kein zu einer Leistungskürzung berechtigendes Wagnis vor, wenn die versicherte Person zum massgebenden Zeitpunkt vollständig zurechnungs- bzw. schuldunfähig war. Eine bloss teilweise Schuldunfähigkeit führt demgegenüber nicht dazu, dass die versicherungsrechtlichen Konsequenzen des Wagnisses ausbleiben würden (BGE 98 V 144 E. 4a S. 149). Vorliegend ist nicht von einer völlig fehlenden Schuldfähigkeit auszugehen: Die polizeiliche Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von rund 1 Gewichtspromille. Ein solcher schliesst die Schuldfähigkeit regelmässig nicht aus (Urteil U 612/06 vom 5. Oktober 2007, E. 4.2.1, mit Hinweisen auf die strafrechtliche Judikatur, welche - im Sinne einer Faustregel - von der Vermutung ausgeht, bei einem Blutalkoholgehalt von unter zwei Promillen liege keine und erst ab einem solchen von drei Promillen eine vollständige Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit vor). Dr. med. R. verneint in seinem Gutachten vom 27. Juli 2005 auch die Frage, ob dieser Effekt aus einer Kombination von Alkohol und Medikamenten resultiert haben könnte. Er gelangt zum klaren Ergebnis, die Urteilsfähigkeit der Explorandin sei im Zeitpunkt des Ereignisses vom 16. November 2002 nicht vollständig aufgehoben gewesen. Die Voraussetzungen für eine Leistungskürzung wegen eines Wagnisses nach Art. 39 UVG in Verbindung mit Art. 50 UVV sind somit erfüllt.
Was den Umfang der Leistungsreduktion angeht, sieht Art. 50 Abs. 1 UVV eine Kürzung um die Hälfte und in besonders schweren Fällen die vollständige Verweigerung der Leistungen vor. Die Norm ermöglicht somit auch eine Reduktion um mehr als 50 %. Ausschlaggebend sind diesbezüglich insbesondere das Verschulden bzw. die subjektiven Motive der versicherten Person (Rumo-Jungo, a.a.O., S. 310, mit Hinweis). Die Parteien haben sich zur Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmass sich eine über 50 % hinausgehende Kürzung rechtfertige, bisher nicht näher geäussert. Aufgrund des kantonalen Entscheids bestand hierzu auch kein Anlass. Die Sache ist deshalb - im Ergebnis entsprechend dem vorinstanzlichen Entscheid - an die Beschwerdeführerin zurückzuweisen. Dem Versicherer steht in diesem Zusammenhang ein gewisser Ermessensspielraum zu (Maurer, a.a.O., S. 512). Aufgrund der derzeitigen Aktenlage zur damaligen psychischen Verfassung der Beschwerdegegnerin dürfte allerdings eine Kürzung um mehr als 50 % kaum in Frage kommen.
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