Arrêt du: 18 octobre 2016
N° de procédure: 4A_377/2016
Thema des Urteils
Haftpflichtrechtliche Sicht auf einen Sturzunfall eines Kindes in ein Biotop
Sachverhalt
Ein 19 Monate altes Kleinkind war im März 2012 zusammen mit seiner Mutter auf dem Vorplatz des Hauses, wo es wohnte. Die Mutter war dort mit der Reinigung ihres Autos beschäftigt. Ihr Kind befand sich neben dem Auto und wischte mit einem kleinen Besen das Bord entlang der Strasse. Die Mutter überwachte ihr Kind, indem sie etwa im Minutenabstand nach ihm sah. Bei der dritten Blickkontrolle war das Kind verschwunden. Die Mutter suchte sofort die Umgebung ab. Schliesslich fand sie ihren Knaben bäuchlings im Gartenteich eines ferienabwesenden Nachbarn liegend. Weil der Knabe mit dem Gesicht mehrere Minuten im Wasser lag, erlitt er eine schwere Hirnschädigung.
Prozessgeschichte
Der verunfallte Knabe, sein Vater sowie sein Halbbruder klagten gegen den Nachbarn aus Werkeigentümerhaftung gemäss Art. 58 OR auf die Zusprechung einer Genugtuung.
Die kantonalen Gerichte verneinten eine Haftung des Nachbarn. Auch das Bundesgericht verneinte eine Haftung des Nachbarn.
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Wie weit die Sicherungspflicht eines Werkeigentümers (z.B. eines Eigentümers eines künstlich angelegten Teichs) gehe, müsse das Gericht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Falls beurteilen. Der fragliche rund 60 cm tiefe Gartenteich diene weder zu Spiel- noch zu Badezwecken, sondern nur der Aesthetik und der Naturbeobachtung. Der Teich sei auch nicht für einen über die Familie des Nachbarn hinausgehenden, unbekannten Personenkreis bestimmt. Trotzdem gehe von diesem Gewässer grundsätzlich eine Gefahr für Kleinkinder aus.
Der fragliche Teich sei jedoch für Kinder nicht ohne Weiteres zugänglich. Einerseits versperre ein massives Gartentor mit einer für Kinder im Primarschulalter unüberwindbaren Kindersicherung den Weg in den Garten. Andererseits sei der Garten mit einer 80 cm hohen, senkrechten Steinmauer und mit einer Hecke umfriedet. Ausserdem sei der Teich von der Strasse her nicht sichtbar und verleite fremde Kinder daher nicht zu einer Besichtigungstour.
Das Bundesgericht kam gestützt darauf zu folgendem Schluss: Der Nachbar musste nicht mit der Anwesenheit eines unbegleiteten Kleinkindes im Alter des Opfers bei seinem Teich rechnen. Er durfte im Gegenteil darauf vertrauen, dass Kleinkinder im Freien überwacht werden und nicht unbegleitet bis zu seinem Teich gelangen. Deshalb hätten die Vorinstanzen zu Recht nicht unbesehen auf die bfu-Dokumentation Gewässer mit ihren Sicherheitsanforderungen für Teiche / Planschbecken im Spielbereich abgestellt, sondern eine Beurteilung anhand der konkreten Verhältnisse vorgenommen.
Folgerungen bfu daraus
Die bfu erachtet es als wichtig, dass die mit dem BGE 130 III 736 zusammengefasste Rechtsprechung zur Werkeigentümerhaftung nach Kinderunfällen nicht nur auf den öffentlichen Bereich, sondern auch auf Wohnquartiere angewandt wird. Damit unterstreicht das Bundesgericht die Bedeutung der Verhältnisprävention für künstliche Kleingewässer im Garten.
Aus der haftpflichtrechtlichen Optik «nach einem erfolgten Unfall» sind immer alle konkreten Umstände des Einzelfalls entscheidend. Nur weil der Garten im konkreten Fall derart stark mit einem massiven kindersicheren Gartentor, einer 80 cm hohen Steinmauer und einer dichten und hohen Hecke gesichert und das Biotop von der Strasse her nicht sichtbar gewesen ist und deshalb Kinder nicht zu einer Besichtigungstour verleitet hat, kamen die Richter zum Schluss, für den Nachbar sei das sog. zweckwidrige Verhalten des Kindes nicht voraussehbar gewesen. Auch dies unterstreicht, wie wichtig für das Bundesgericht die sicheren Verhältnisse sind.
Die Mangelhaftigkeit eines Werkes müssen die Richter im Haftpflichtrecht aus der Perspektive der objektiven Sicherheits- und Gesundheitserwartung bewerten. Dies wurde im fraglichen Fall unter anderem dadurch umgesetzt, dass eben nicht nur das Biotop für sich allein betrachtet wurde, sondern das Biotop im fraglichen Garten, wo sich der Unfall ereignet hat. Dies bestätigt die seit Jahren praktizierte Vorgehensweise der bfu-Berater.
Der tragische Fall zeigt, dass die technischen Sicherheitsmassnahmen direkt am Kleingewässer wirksamer sind. Deshalb empfiehlt die bfu, künstliche Kleingewässer im Wohnbereich durch eine vierseitige Einzäunung zu sichern. So ist die Gefahrenstelle für Kleinkinder unzugänglich. Selbstverständlich ist auch eine sorgfältige Wahrnehmung der Aufsichtspflicht durch Erwachsene sehr wichtig.
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