Arrêt du: 23 octobre 2000
N° de procédure: U 39/99
Recueil officiel: 126 V 353
Sachverhalt
Der Teilzeitangestellte M erlitt auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall. Mit seinem Motorrad stiess er innerorts mit übersetzter Geschwindigkeit mit einem Lieferwagen zusammen, der sich auf seiner Fahrbahn befand. Wenige Tage später verstarb M.
Prozessgeschichte
Der Lenker des Lieferwagens wurde in der Folge wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. M hinterliess seine Ehefrau und eine Tochter, die den Unfall der Versicherung W meldeten. Nachdem diese die Leistungspflicht erst verneint hatte, hiess sie eine gegen den negativen Entscheid erhobene Einsprache teilweise gut, kürzte jedoch ihre Leistungen wegen grobfahrlässiger Herbeiführung des Unfalls um 20 %. Das kantonale Sozialversicherungsgericht sprach den Hinterlassenen auf deren Beschwerde hin die Versicherungsleistungen ungekürzt zu. Die Versicherung W beschwerte sich dagegen erfolgreich beim Eidgenössischen Versicherungsgericht (EVG).
Für die Prävention entscheidende Erwägungen des Bundesgerichts
Umstritten war erstens, ob es sich bei dem tragischen Ereignis um einen versicherten Arbeitswegunfall handelte. Übereinstimmend mit der Vorinstanz erachtete das EVG den notwendigen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen der Reise und der Arbeit als gegeben, obwohl M auf dem Weg zur Arbeit noch seine Mutter besuchen wollte: M standen für das Zurücklegen des Wegs zwischen seinem Wohn- und Arbeitsort insgesamt 2,5 Stunden zur Verfügung. Richtigerweise musste ihm somit die Wahl zwischen der Autobahn sowie dem Weg durch die Stadt und über die Landstrasse offen stehen. Statt 40 Minuten habe der Verstorbene rund eine Stunde für seinen Arbeitsweg einrechnen müssen, so die Richter. Werde sodann eine einstündige Marge für Besorgungen und/oder den Besuch bei seiner Mutter eingerechnet, bleibe noch eine Stunde, die man M als zeitlichen Spielraum für das rechtzeitige Erscheinen am Arbeitsplatz einräumen müsse. Unter diesen Umständen stelle das tragische Ereignis, wenn auch im Sinne eines Grenzfalls, einen versicherten Arbeitswegunfall dar. Die Versicherung W sei somit leistungspflichtig.
Zu prüfen war weiter, ob die Leistungen an die Hinterlassenen wegen Grobfahrlässigkeit zu kürzen waren. (Bei Berufsunfällen sind Leistungskürzungen, anders als bei Nichtberufsunfällen, gemäss staatsvertraglichem Recht unzulässig. In der Schweiz stellen Arbeitswegunfälle in der Regel zwar keine Berufs-, sondern Nichtberufsunfälle dar. Das staatsvertragliche Leistungskürzungsverbot findet jedoch bei Arbeitswegunfällen generell keine Anwendung, und zwar ungeachtet dessen, ob es sich um einen Unfall von einem Teilzeit- oder einem Vollzeitbeschäftigten handelt. Eine Leistungskürzung war somit grundsätzlich möglich.) Aufgrund verschiedener Zeugenaussagen war erwiesen, dass M die zulässige Geschwindigkeit von 50 km/h zwar nicht massiv, aber doch überschritten hatte. Zudem hatte er kurz vor dem Unfall Cannabis konsumiert, was seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt hatte. Dieses Verhalten stelle eine grobe Fahrlässigkeit dar und sei nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet, einen derartigen Unfall herbeizuführen, so das EVG. Die Tatsache, dass der Lenker des Lieferwagens erst kurz vor der Kollision auf die Fahrbahn des vortrittsberechtigten M eingebogen war, ändere nichts daran, dass die übersetzte, ungebremste Geschwindigkeit sowie die beeinträchtigte Fahrfähigkeit des Verstorbenen zumindest Teilursachen für den Unfall und dessen Folgen waren. Da somit zwischen dem Verhalten von M und dem Unfallereignis ein natürlicher und adäquater Kausalzusammenhang liege, sei eine Kürzung der Leistung gerechtfertigt.
Die Versicherung W hatte mit Rücksicht auf die unterhaltsberechtigten Angehörigen statt der bei übersetzter Geschwindigkeit grundsätzlich zulässigen Leistungskürzung von 30 % eine Kürzung von 20 % vorgenommen. Dem EVG schien dies im Ergebnis als angemessen: Die Versicherung habe zwar nicht genügend berücksichtigt, dass M nur eine Teilursache, der Lenker des Lieferwagens hingegen die Hauptursache für den Unfall gesetzt habe. Dies werde aber dadurch ausgeglichen, dass bei der Kürzung die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit aufgrund des Cannabis-Konsums nicht miteinbezogen worden sei. Folglich hätte die Vorinstanz die Leistungskürzung nicht aufheben dürfen.
(Urteil vom 23.10.2000; Prozess-Nr. des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 39/99)
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