Ursula Meier Köhler, Sie sind das bekannte Gesicht von «Bliib fit – mach mit!». Warum setzen Sie sich dafür ein, dass Menschen länger gesund, mobil und selbstständig bleiben?
Seit Jahrzehnten bewege ich Menschen, von jung bis alt, früher im Turnverband, in der Schule und heute als Bewegungstherapeutin. Meine Erkenntnis daraus ist, dass man im Bewegen mit Menschen nicht nur dem Körper etwas Gutes tut, sondern zusammen auch viel lachen kann. So einfach lässt sich auch im Alter die Lebensqualität erhalten: mit Humor und den richtigen Übungen. Das gilt auch für «Bliib fit – mach mit!» im Schweizer Fernsehen.
Regelmässige Bewegung fördert die körperliche Leistungsfähigkeit und unterstützt auch unsere Psyche. Denn ich will nicht, dass Menschen leiden. Schwere Stürze bedeuten oft einen grossen Leidensweg, deshalb setzten wir bei der BFU dort an, wo Stürze vermieden werden können – mit gezieltem Training und einem sicheren Wohnraum. Auf gesellschaftlicher Ebene geht es mir darum, mit einem einfachen Angebot wie «Bliib fit – mach mit!» mitzuhelfen, die enorm hohen Gesundheitskosten zu reduzieren.
Bei «Bliib fit – mach mit!» kommt man auch mal als jüngerer Mensch ins Schwitzen. Ist die Sendung wirklich für alle älteren Menschen geeignet?
Zu Beginn jeder Sendung ermutige ich die Zuschauerinnen und Zuschauer, stets auf ihr Gefühl zu hören. Ich betone, wie wichtig es ist, mal eine kurze Pause einzulegen oder etwas zu trinken. Vom Anspornen zu höheren Leistungen halte ich wenig, aber viel von Selbstbestimmung. Hin und wieder gibt es ein Feedback, wenn jemand eine Übung als zu anstrengend empfunden hat. Dann frage ich zurück, ob man sich erlaubt habe, abzusitzen. Die Teilnehmenden sollen selbst entscheiden, ob sie eine Übung im Stehen oder lieber im Sitzen durchführen. Nahezu alle Übungen sind dafür geeignet.
Wir Menschen schätzen uns oft jünger oder kräftiger ein, als wir wirklich sind. Wie stellen ältere Menschen fest, wie es wirklich um das Gleichgewicht und die Kraft steht?
Das kann in der Arztpraxis oder in der Physiotherapie getestet werden. Praktisch und einfach ist auch der Bewegungstest auf der Website von sichergehen.ch. Dieser besteht aus einem Fragebogen zur Selbsteinschätzung sowie den dazu passenden Übungen zum Beurteilen von Kraft, Gleichgewicht und Dynamik. Diesen Bewegungstest kann man zu Hause machen, ganz ohne Leistungsdruck. Am Ende erhält man sofort ein individuelles Trainingsprogramm aus einem der verschiedenen Trainings-Levels von sichergehen.ch.
Verlust der Selbstständigkeit und Sturzangst sind sensible Themen. Oft sind es nicht die Seniorinnen und Senioren selbst, die feststellen, dass Beweglichkeit und Kraft schwinden. Welchen Rat geben Sie Angehörigen, das anzusprechen?
Heikel sind gut gemeinte Ratschläge, aus Angst, der Grossvater oder die betagte Mutter könnten stürzen. Darum ist der Bewegungstest so gut. Die betreffende Person agiert selbstbestimmt. Selbstbestimmung entschärft emotionale Situationen. Auf der Website der BFU gibt es viele Ratgeber zu den Themen im Alter. Beispielsweise eine Checkliste, mit der man gemeinsam mit der betreffenden Person den Haushalt auf Sturzgefahren überprüfen kann. Aber Stürzen hat nicht nur mit der Wohnungseinrichtung zu tun. Die Ernährung und das Sehvermögen spielen auch eine Rolle. Vielleicht hat man eine neue Gleitsichtbrille, mit der man beim Treppensteigen den Kopf anders halten muss, um die Stufen zu erkennen? Auch Medikamente können einen Einfluss haben, ganz besonders in Kombination mit dem Gläschen Rotwein am Abend. Für Angehörige kann es hilfreich sein, über die neutralen Ratgeber der BFU zu all diesen Themen ins Gespräch zu kommen.
Einfache Rezepte gibt es nicht?
Die Massnahmen sind einfach. Nicht aber das Gespräch finden. Das Ändern von Gewohnheiten fällt uns allen schwer, ganz besonders einem älteren Menschen. Darum ist das Fördern der Selbstbestimmung so wichtig. So gibt es immer einen Weg. Selbst dort, wo fast nichts mehr geht. Das habe ich in meiner Zeit in der Neurorehabilitation gelernt, als ich mit Patientinnen und Patienten nach einem Schlaganfall oder mit Multipler Sklerose gearbeitet habe. Menschen sollen immer selbst entscheiden dürfen.
Was ist, wenn jemand sich vor Sturzangst keine Bewegung mehr zutraut? Oder mit Bewegung ein Leben lang nichts am Hut hatte?
Sollen Gewohnheiten verändert werden, müssen sie naheliegend sein. Bei mir liegt die Turnmatte vor dem Bett. Da ist es naheliegend, dass ich vor dem Zubettgehen noch eine Yoga-Übung mache. Bei Personen, die nicht bewegungsaffin sind, suche ich etwas, wo sie sich schon bewegen, dies aber nicht als Bewegung wahrnehmen. Dort setzt die BFU-Broschüre «Bewegung hält mobil» an. Darin werden aus Alltagstätigkeiten mit kleinen Veränderungen Übungen. Zum Beispiel das Zähneputzen. Auf einem Bein stehend, fördert man gleichzeitig das Gleichgewicht, und schon ist man in Bewegung.
Geht es mit «Bliib fit – mach mit!» weiter?