Politische Position

Automatisiertes Fahren Zehn Handlungsfelder für die Verkehrssicherheit

Das automatisierte Fahren wird den Strassenverkehr grundlegend verändern. Die neuen Systeme haben das Potenzial, das Unfallrisiko zu senken. Sie sind aber auch grosse Herausforderungen für die Verkehrssicherheit. Denn bis auf den Schweizer Strassen nur noch vollautomatisierte Fahrzeuge verkehren, steht eine lange Übergangsphase bevor. Für die BFU steht fest: Die automatisierte Mobilität darf nicht zu zusätzlichen Unfällen führen. Die Politik ist gefordert, die notwendigen Grundlagen zu schaffen, damit das automatisierte Fahren sicher wird. Die BFU sieht zehn Handlungsfelder.

Die meisten schweren Verkehrsunfälle sind auf menschliche Fehler zurückzuführen. Automatisierte Fahrzeuge haben das Potenzial, diese Fehler zu kompensieren und das Unfallrisiko zu reduzieren. Bis sich dieser positive Effekt realisieren lässt, steht die Verkehrssicherheit noch vor grossen Herausforderungen.

Das automatisierte Fahren wird über fünf Stufen den Weg auf die Strassen finden (siehe Übersicht auf Seite 3). Nach und nach übernehmen die computergestützten Steuerungssysteme der Fahrzeuge mehr Fahraufgaben von den Lenkerinnen und Lenkern. Dadurch entstehen neue Risiken, welche die erhofften Sicherheitsgewinne durch das automatisierte Fahren teilweise zunichtemachen könnten.

Schlüsselfaktoren sind dabei das Zusammenspiel von Mensch und Fahrzeug sowie die Zuverlässigkeit der Systeme: Keine Technik ist überall einsetzbar und funktioniert immer zuverlässig. Darum braucht es für Systemausfälle und komplexe Situationen eine Rückfallebene. Dies wird noch lange Zeit der aufmerksame Mensch am Steuer bleiben, der einen Unfall verhindern muss. Daraus resultieren neue Anforderungen an die Fahrzeuglenkerinnen und Fahrzeuglenker, welche diese aber oftmals überfordern, z. B. die notwendige Dauerüberwachung der technischen Systeme oder das rasche und korrekte Eingreifen in kritischen Situationen.

Die Technologie für automatisierte Mobilität ist heute teilweise schon Realität – und die Fahrzeughersteller entwickeln sie schnell weiter. Doch aus Sicht der Verkehrssicherheit sind die zentralen Fragen für deren Einsatz auf den Schweizer Strassen noch nicht geklärt. Hier ist die Politik gefordert. Sie muss die Entwicklungen und Auswirkungen des automatisierten Fahrens antizipieren und entschlossen handeln. Damit keine vermeidbaren neuen Sicherheitsrisiken entstehen, sind neue gesetzliche Grundlagen und ein Aktionsplan für die Verkehrssicherheit dringend notwendig. Die BFU sieht zehn Handlungsfelder, in denen die Politk aktiv werden muss.

  1. Festlegung eines verbindlichen Sicherheitsniveaus: Die automatisierte Mobilität darf nicht zu zusätzlichen Unfällen führen. Das aktuelle Sicherheitsniveau im Strassenverkehr muss mindestens gehalten, idealerweise sogar verbessert werden.
  2. Fahrzeugzulassung: Es dürfen nur Systeme zugelassen werden, welche die Leistungsgrenzen des Menschen berücksichtigen, intuitiv verständlich und verlässlich sind. Die Lenkerinnen und Lenker dürfen nicht überfordert werden und sie müssen rechtzeitig aufgefordert werden, die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen.
  3. Gezielte Anpassung der Infrastruktur: Für einen sicheren Betrieb des hochautomatisierten Fahrens braucht es eine Vernetzung der Fahrzeuge untereinander sowie Schnittstellen zu digitalen Infrastrukturelementen (z. B. Echtzeitkarten). Entsprechende Standards müssen definiert und geeignete Strassennetzabschnitte ausgebaut, getestet und schrittweise für den automatisierten Verkehr freigegeben werden.
  4. Schulung der Fahrzeuglenkerinnen und Fahrzeuglenker: Der Umgang mit den automatisierten Fahrsystemen und deren Bedienung müssen Teil der Fahrausbildung sein; für erfahrene Lenkerinnen und Lenker sind neue Schulungsangebote zu entwickeln.
  5. Sensibilisierung der Verkehrsteilnehmenden: Die automatisierte Fahrzeugmobilität hat Einfluss auf alle Verkehrsteilnehmergruppen. Daher muss eine allgemeine Wissensvermittlung zum Leistungsvermögen und zu den Grenzen der neuen Technologie initiiert werden.
  6. Marktüberwachung und technische Aufsicht: Funktionalität und Leistungen von Fahrzeugen mit Automationssystemen müssen engmaschig überwacht werden – und zwar während ihrer gesamten Lebensdauer. Bei technischen Problemen während der Fahrt dürfen automatisierte Fahrzeuge nicht zu einem Sicherheitsrisiko werden. Daher ist eine externe technische Aufsicht bzw. Kontrolle der Systeme unverzichtbar.
  7. Gewährleistung der IT-Sicherheit: Um Manipulationen von aussen an den Fahrzeugen zu verhindern, müssen Hersteller, Zulieferer und Dienstleister für einen ausreichenden Schutz vor Missbrauch sorgen und die Sicherheit von IT-Zugängen sowie Daten gewährleisten.
  8. Zugang zu Fahrzeugdaten: Zur Klärung der Verantwortlichkeit braucht es Zugang zu Fahrzeugdaten, die auch in der Verkehrssicherheitsforschung genutzt werden können. Um den Datenschutz zu gewährleisten, könnte ein offizieller Datentreuhänder eingesetzt werden.
  9. Klärung der Haftungsfrage: Heute haften bei Unfällen prinzipiell die Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughalter. Dies ist aber nicht sinnvoll, wenn diese kaum Einfluss auf den sicheren Betrieb des Fahrzeugs haben. Daher ist eine Revision des Produktehaftpflichtrechts notwendig.
  10. Internationale Koordination: Der technologische Fortschritt im automatisierten Fahren findet global statt. Deshalb muss die Schweiz in den relevanten internationalen Gremien aktiv mitarbeiten.

Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens – und Beispiele von Sicherheitsrisiken

Stufe 1 – Assistiertes Fahren

Fahrerassistenzsysteme unterstützen die Lenkerinnen und Lenker, übernehmen entweder das Lenken oder Beschleunigen.

Sicherheitsrisiko: Die Lenkerinnen und Lenker könnten zu grosses Vertrauen in die Systeme haben und dadurch weniger aufmerksam und sicherheitsorientiert fahren.

Stufe 2 – Teilautomatisiertes Fahren

Die Systeme übernehmen teilweise das Steuer, indem sie gleichzeitig lenken und beschleunigen. Dabei behalten die Lenkerinnen und Lenker die volle Verantwortung und müssen die Umgebung und das Fahrzeug stets beobachten.

Sicherheitsrisiko: Die Lenkerinnen und Lenker überwachen vor allem die Systeme – und fahren immer weniger. Die andauernde, passive Aufmerksamkeit ist eintönig, ermüdend und kann sich negativ auf die Reaktionsfähigkeit auswirken.

Stufe 3 – Bedingt automatisiertes Fahren

Die Lenkerinnen und Lenker können sich in bestimmten Situationen länger
vom Fahrgeschehen abwenden und einer anderen Tätigkeit nachgehen. Sie müssen aber bereit bleiben, jederzeit die Fahraufgabe innerhalb kurzer Zeit wieder zu übernehmen.

Sicherheitsrisiko: Den Lenkerinnen und Lenkern bleibt zu wenig Zeit, um in einer heiklen Verkehrssituation die Fahraufgabe wieder zu übernehmen.

Stufe 4 – Hochautomatisiertes Fahren

Das Fahrzeug fährt innerhalb definierter Bereiche selbstständig und muss in der Lage sein, im Notfall sicher anzuhalten. Die Personen im Wagen werden zu Passagierinnen und Passagieren.
Gelangt das Fahrzeug an seine Einsatzgrenzen, muss der Mensch die Fahraufgabe übernehmen.

Sicherheitsrisiko: Es treten immer wieder komplexe Verkehrssituationen ein, welche die Systeme überfordern. Wenn die hochautomatisierten Fahrzeuge selbstständig unerwartet und spontan anhalten, kann es zu Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmenden kommen, z. B. mit nachfolgenden Fahrzeugen.

Stufe 5 – Vollautomatisiertes Fahren

Das Fahrzeug übernimmt zu jeder Zeit und auf allen Strecken alle Fahrfunktionen.

Sicherheitsrisiko: Die Interaktion mit Fahrzeugen, die noch nicht vollautomatisiert unterwegs sind, kann zu gefährlichen Verkehrssituationen führen. Auch in der Kommunikation mit Fussgängerinnen und Fussgängern kann es zu Missverständnissen kommen.

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