Ratgeber

Risikodialoge in der Fahrausbildung Der Mensch als wichtigste Unfallursache

95 % aller Verkehrsunfälle geschehen wegen menschlichem Fehlverhalten. Das Hauptproblem dabei sind persönliche Merkmale wie risikofördernde Einstellungen oder belastende Emotionen. Sie prägen das Fahrverhalten und sind somit die Ursache für Fahrfehler. Das Reflektieren persönlicher Risiken gehört deshalb in die Fahrausbildung. Ein Handbuch und Lernvideos der BFU zeigen, wie Risikodialoge in der Fahrstunde funktionieren und was zu beachten ist.

Risikodialoge in der Fahrstunde ...

  • ... fördern das Bewusstsein, dass Unfälle meistens persönliche Ursachen haben.
  • ... sensibilisieren die Lernenden für ihre persönlichen Unfallrisiken.
  • ... lassen die Lernenden alternatives Verhalten entdecken.

Hauptursachen für Verkehrsunfälle: Merkmale der Fahrzeuglenkenden und Umstände der Fahrt 

Wissenschaft und Praxis sind sich einig: Während die Fahrzeuge und die Verkehrsinfrastruktur immer sicherer werden, bleibt der Mensch fehleranfällig. Dabei sind persönliche Merkmale der Verkehrsteilnehmenden wie zum Beispiel Motive, Einstellungen und Verhaltensmuster das Hauptproblem.
Deshalb muss der Fokus der Fahrausbildung viel stärker als bisher auf diese individuellen Risikofaktoren gelegt werden. Dazu hat die BFU auf der Basis der GDE-Matrix («Goals for Driver Education») das Instrument «Risikodialoge» erarbeitet.

GDE-Matrix als Best Practice

Die GDE-Matrix gilt europaweit als Best Practice der Fahrausbildung. Sie ordnet die in der Fahrausbildung zu beachtenden Elemente auf vier Ebenen ein:

  • Ebene 1: Fahrfertigkeiten (Kenntnis und Beherrschung aller Fahrzeugfunktionen)
  • Ebene 2: Verhalten im Verkehr (Regelkenntnis und Verständnis für Verkehrsabläufe)
  • Ebene 3: Umstände der Fahrt (Motiv, Planung und soziale Situation der Fahrt, emotionaler und körperlicher Zustand der Lenkenden)
  • Ebene 4: Persönlichkeitsmerkmale (Charaktereigenschaften, Verhaltensmuster, Einstellungen, Fahrstil, Beziehung zum Fahrzeug)

Die Ebenen 1 und 2 sind dabei unabdingbare Voraussetzungen für eine unfallfreie Fahrt. Die Ebenen 3 und 4 beeinflussen das Unfallrisiko jedoch viel stärker. Deshalb müssen sie Pflichtinhalte in einer verantwortungsvollen Fahrausbildung werden.

Ein Risikodialog pro Fahrstunde

Das wichtigste Ziel der Fahrausbildung ist eine sichere Verkehrsteilnahme. Eine Fahrausbildung, die dieses Ziel verfolgt, fokussiert deshalb nicht nur auf die Ebenen 1 und 2, sondern thematisiert in genügendem Mass auch die Ebenen 3 und 4 der GDE-Matrix. 

Es ist die Aufgabe der Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer, ihre Lernenden zur Reflexion der Risiken zu motivieren, die sich aus den Umständen einer Fahrt sowie aus persönlichen Merkmalen ergeben, und sie bei der Erarbeitung geeigneter Strategien zur Risikominderung zu begleiten. 

Als Form für diese Reflexion bietet sich der von der BFU entwickelte, strukturierte Risikodialog an. Die Inhalte wurden aus der GDE-Matrix übernommen und von Praktikerinnen und Praktikern der Fahrausbildung wie auch von der Schweizerischen Vereinigung für Verkehrspsychologie überprüft. Gemeinsam wurden anschliessend das konkrete Vorgehen und das Einsatzmittel für die Dialoge entwickelt.

Der Risikodialog ist idealerweise ein fester Bestandteil jeder Fahrstunde. Egal welches Thema – er läuft immer nach dem gleichen Schema ab: 

  1. Einführung: Der Fahrlehrer, die Fahrlehrerein wählt ein Thema und beschreibt zugehörige Risikofaktoren, die das Unfallrisiko im Verkehr beeinflussen.
  2. Risikoanalyse: Warum erhöht Risikofaktor X das Unfallrisiko im Verkehr? In welchen Situationen ist dieser Faktor besonders gefährlich?
  3. Selbsteinschätzung: Kennt der/die Lernende bei sich selbst einen der genannten Faktoren? In welchen Verkehrssituationen könnte dieser Faktor das Risiko erhöhen? Was kann der/die Lernende dagegen unternehmen?

Die verschiedenen Themen und Risikofaktoren haben nicht bei allen Lernenden dieselbe Priorität. Eine angepasste Gewichtung liegt im Ermessen der Fahrlehrerin oder des Fahrlehrers.

Lernvideos: Beispiele kompletter Risikodialoge

Unten finden Sie Beispiele kompletter Risikodialoge zu unterschiedlichen Themen. Die Beispiele zeigen, wie die drei Phasen «Einführung», «Fragen zur Risikoanalyse» und «Fragen zur Selbsteinschätzung» ablaufen können. Die Lernvideos bilden Situationen aus dem Fahrunterricht mit dem Auto, Motorrad, Lastwagen sowie aus dem Verkehrskundeunterricht ab.

1/6 -

Auto: Planung der Fahrt

2/6 -

Auto: Emotionaler Zustand

3/6 -

Motorrad: Verhaltensmuster

4/6 -

Motorrad: Motiv der Fahrt

5/6 -

Lastwagen: Verhaltensmuster

6/6 -

Verkehrskundeunterricht: Fahrstil

Alle Videos finden Sie auch in der YouTube-Playlist.

Lernvideos: Das macht erfolgreiche Risikodialoge aus

Eine gute Einführung, gutes Nachhaken und eine gute Überleitung zu persönlichen Strategien für den Umgang mit individuellen Unfallrisiken machen erfolgreiche Risikodialoge aus. So vergessen die Fahrschülerinnen und Fahrschüler die Erkenntnisse nicht so schnell wieder. Die untenstehenden Videos zeigen, wie das gelingt – und was es zu vermeiden gilt.

1/4 -

Gute Einführungen ins Thema: Prägnant erklären, um was es geht.

2/4 -

Gutes Nachhaken: Bei den Lernenden den Bezug zu sich selbst fördern.

3/4 -

Verpasstes Nachhaken: So bleiben Aussagen allgemein und unverbindlich.

4/4 -

Gute Überleitungen zur persönlichen Strategie: Lernende zu persönlichen Handlungsalternativen führen.

Alle Videos finden Sie auch in der YouTube-Playlist.

Handbuch für den Risikodialog

Zur Unterstützung der Fahrlehrerschaft bei der Einführung der Risikodialoge hat die BFU ein Handbuch entwickelt. Es beinhaltet für jeden der elf Themenbereiche eine Einführung sowie spezifische Fragen zur Risikoanalyse und Selbsteinschätzung. In der dazugehörigen Rubrik «Hintergrundwissen» sind alle Risikofaktoren des Themenbereichs aufgelistet. Zudem wird erklärt, wie diese Faktoren das Unfallrisiko beeinflussen. 

Das praktische Ringheft ist als «Spickzettel» für die Risikodialoge während der Fahrstunde konzipiert. Es dient zudem als Nachschlagewerk für zusätzliche Informationen, die für die Fahrlehrerschaft während der Risikodialoge hilfreich sein können.

Das Handbuch liegt in drei Sprachen vor (d/f/i). Einzelexemplare können ab sofort bei der unten angegebenen Kontaktperson bezogen werden. Grössere Mengen für Kurszwecke sind ab Januar 2025 im BFU-Shop verfügbar. 

Fahrschulen, die in der praktischen Fahrausbildung mit einem elektronischen Begleitinstrument arbeiten, können die Textbausteine des Ringhefts für die Integration in ihre Software bei der BFU beziehen. Bitte melden Sie sich dazu bei der unten angegebenen Kontaktperson.

Einführungskurse mit Abgabe des Handbuchs

Seit 2023 finden an allen Fahrlehrer-Berufsschulen der Schweiz in jedem Ausbildungsgang eintägige Einführungskurse zu den Risikodialogen statt. Zuerst werden die Fakten zum Unfallgeschehen erläutert –dies ist unabdingbar, um die Thematik in der Fahrausbildung zu stärken. Dann wird die GDE-Matrix als Basis der Intervention erklärt. Schliesslich werden die Risikodialoge als Einsatzmittel eingeführt und konkret geübt, wozu das Handbuch abgegeben wird und die Lernvideos eingesetzt werden. 

Dieselben Kurse sind ab 2025 im Rahmen der obligatorischen Weiterbildung für die Fahrlehrerschaft geplant. Entsprechende Kursorte und -daten werden hier publiziert. Interessierte Weiterbildungsanbieter können sich bereits jetzt bei der BFU melden.

Ihr BFU-Kontakt

Thomas Kramer

Thomas Kramer

Berater Verkehrsverhalten

Publikationen

  • Fachdokumentation

    GDE-Matrix und Coaching

    Dokumentation A4 | 20 Seiten | 2.527
    Herunterladen PDF
Zum Warenkorb
0