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Automatisiertes Fahren Eine Herausforderung für die Verkehrssicherheit

Ab März gilt die neue Verordnung zum automatisierten Fahren. Autofahrerinnen und Autofahrer dürfen künftig auf der Autobahn den Autobahnpiloten nutzen und das Lenkrad loslassen. Ein Wendepunkt im Schweizer Strassenverkehr – mit Folgen für die Verkehrssicherheit.

Fahrerassistenzsysteme gibt es in Autos schon seit vielen Jahren. Einige davon, etwa der Notbremsassistent, sind seit 2024 für alle Neufahrzeuge obligatorisch. Diese Systeme haben ein enormes Sicherheitspotenzial: Wären alle Fahrzeuge damit ausgestattet, liessen bis zu 50 % aller schweren Unfälle verhindern. 

Neben solchen sicherheitsorientierten Assistenten werden die Fahrzeuge zunehmend mit Systemen aus-gestattet, die das Fahren komfortabler machen und sogar ganz übernehmen. Mit dem Inkrafttreten der Verordnung über das automatisierte Fahren halten diese Systeme nun auch in der Schweiz Einzug. Auf Autobahnen ist künftig eine bedingte Automatisierung (Stufe 3) erlaubt, hochautomatisiertes Fahren (Stufe 4) mit führerlosen Fahrzeugen ist auf behördlich genehmigten Strecken möglich. 

Fahraufgaben verändern sich 

Automatisierte Fahrfunktionen stellen eine Herausforderung für die Verkehrssicherheit dar. Denn die Fahrerinnen und Fahrer müssen das Fahrzeug und das Verkehrsgeschehen nicht mehr ständig überwachen und dürfen sogar die Hände vom Lenkrad nehmen. Dennoch bleiben sie in der Verantwortung und müssen jederzeit in der Lage sein, die Kontrolle sofort wieder zu übernehmen.

Diese ungewohnte Situation birgt neue Unfallrisiken. Die weniger aktive Rolle beim Fahren führt zu einer gewissen Monotonie. Zudem besteht die Gefahr, dass man die Systeme überschätzt – und deshalb die Verkehrssituation weniger sorgfältig beobachtet. 

Fest steht: Fahrerinnen und Fahrer von automatisierten Fahrzeugen müssen sich schnell an die Technologien, deren Anwendung und deren Grenzen gewöhnen. Der Fahrausbildung kommt dabei eine zentrale Rolle zu, weshalb Automatisierungssysteme ab Juli 2025 fester Bestandteil der Fahrausbildung sind.

Die neue Rechtsgrundlage sieht eine Informationspflicht für alle Akteure vor, die Fahrzeuge mit Automatisierungssystemen anbieten. Aber auch die Fahrerinnen und Fahrer selbst sind gefordert und müssen alle Anweisungen und Sicherheitshinweise der Hersteller befolgen. 

BFU sieht Handlungsbedarf 

Wie gut diese Massnahmen greifen, ist allerdings noch unklar. Die BFU hält es für notwendig, die Entwicklung der Fahrzeugautomatisierung genau zu beobachten und die flankierenden Verkehrssicherheitsmassnahmen auf ihre Wirkung hin zu evaluieren. Zudem ist eine gezielte Sensibilisierung der Fahrzeuglenkenden notwendig, um ein Bewusstsein für die neuen Risiken zu schaffen.

Die BFU beantwortet die wichtigsten Fragen

Werden unsere Strassen dank Autos mit Automatisierungssystemen sicherer?

Langfristig gesehen werden die Fahrzeuge mit Automatisierungssystemen den Verkehr sicherer machen. Denn diese Systeme halten sich konsequent an die Verkehrsregeln, werden nicht müde und können blitzschnell reagieren, wenn es darauf ankommt. Doch bis es so weit ist, wird es noch lange dauern. In der Zwischenzeit kommt es auf den Strassen zu einem Mix. Herkömmliche Autos werden sich die Strasse mit Autos teilen, die teilweise oder hochautomatisiert fahren. Gleichzeitig werden wir auch weiterhin zu Fuss, mit dem Velo oder E-Bike unterwegs sein – also ganz ohne moderne Technik. All das muss zusammenspielen, und das ist eine Herausforderung. Deshalb ist es entscheidend, die Auswirkungen der Automatisierung auf die Verkehrssicherheit genau zu beobachten und über flankierende Massnahmen nachzudenken – z. B., wie die Fahrzeuglenkenden gezielt informiert und sensibilisiert werden können.

Sind Autos mit Automatisierungssystemen nicht ein Risiko auf unseren Strassen?

Tatsächlich verändern sich mit den modernen Technologien auch die Fahraufgaben. Neu müssen die Fahrerinnen und Fahrer den Verkehr nicht mehr ständig überwachen und dürfen sogar die Hände vom Steuer nehmen. Trotzdem müssen sie jederzeit in der Lage sein, die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. Das ist eine paradoxe Anforderung, für die sie nicht geschaffen sind. Durch die weniger aktive Rolle beim Fahren sind die Menschen unterfordert, und es wird schnell monoton. Zudem besteht die Tendenz, den Technologien zu schnell zu vertrauen. Dann ist die Versuchung gross, sich mit anderen Tätigkeiten zu beschäftigen. Dies ist gefährlich, weil die Fahrerin oder der Fahrer dann das Steuer nicht mehr rechtzeitig übernehmen kann. 

In welchen Fahrzeugen darf man das Lenkrad loslassen?

Zurzeit gibt es in der Schweiz noch keine Fahrzeuge, bei denen das möglich ist. Denn Autos mit Automatisierungssystemen brauchen – wie alle anderen Fahrzeuge auch – eine Typengenehmigung. Dafür müssen die Hersteller nachweisen, dass die Verkehrssicherheit und der Verkehrsfluss gewährleistet sind. Da die Verordnung mit den Anforderungen am 1. März 2025 in Kraft tritt, wird es wahrscheinlich noch einige Monate dauern, bis die ersten Fahrzeuge mit solchen Systemen in der Schweiz unterwegs sind. 

Darf ich künftig während der Fahrt auf dem Handy eine Nachricht schreiben?

Nein. Die Fahrerinnen und Fahrer müssen zwar nicht mehr ständig den Verkehr beobachten und die Hände am Lenkrad haben. Sie müssen aber sofort eingreifen können, wenn das Auto sie dazu auffordert oder die Verkehrssituation anspruchsvoll wird. Mit anderen Worten: Man muss schnell die Kontrolle über das Auto übernehmen können. Und das geht nicht, während man auf dem Handy eine Nachricht tippt.

Kann ich mich beim Fahren entspannen und abschalten?

Nicht wirklich. Auch wenn das Auto selbst fährt und man den Verkehr nicht mehr ständig überwachen muss, darf man nicht abschalten. Die Fahrerinnen und Fahrer müssen eingreifen können, sobald es die Situation erfordert. Sie müssen sich schnell einen Überblick über das Verkehrsgeschehen verschaffen können. Zudem hat jede Technik auch Grenzen. Als Autofahrerin oder Autofahrer darf ich nicht davon ausgehen, dass mein Auto jede brenzlige Situation sofort erkennt und mich rechtzeitig warnt.

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